Alina ist 30 und muss ihr bisheriges Leben neu überdenken: Frisch von ihrem Freund getrennt, wegen dem sie nach Frankfurt gezogen war, findet sie sich jetzt in Spechthausen wieder, in den Wäldern der Biber. Hier sucht sie, ohne Arbeit und Dach, Unterschlupf bei ihrem lange entfremdeten Großvater.
Bye-bye Menschheit: Gegenangriff von Nadja Niemeyer
Die Fauna hat die Schnauze von des Menschen Naturvernichtung und bläst zum Gegenangriff. Nadja Niemeyers Text kommt mit dem Paratext “Pamphlet”, ist aber eine dystopische Erzählung, eine gar nicht mal so unplausible Fiktion, in der es der Menschheit endlich an den Kragen geht. Ein amüsanter, ein aktueller, ein notwendiger Text.
Gewalt und Scham: Die Molche von Volker Widmann
Max und sein Bruder sind neu im Dorf. Der zweite Weltkrieg ist noch nicht lange vorbei, wird von den Eltern aber in Schweigen verhüllt. Auch sonst haben sie den Kindern nicht viel zu erzählen. Die spielen größtenteils sich selbst überlassen in der Natur und in Ruinen. Einige von ihnen erfreuen sich an Gewalt. Max und seine Freunde wollen das nicht länger hinnehmen, kennen aber selbst keine anderen Mittel. Volker Widmanns Die Molche ist ein Coming of Age Roman und zugleich ein erschütterndes Porträt der Nachkriegs-BRD, in der sich eine große unheilvolle, nähere Vergangenheit in den Kindern reproduziert.
Fatalismus der Jugend: Haus in Flammen von Mischa Kopmann
Haus in Flammen von Mischa Kopmann ist ein kurzer, nah am Puls der Zeit geschriebener Roman über ein Dreiecksgespann in Hamburg. Der Erzähler Lias ist neu in der Schule, findet aber schnell Anschluss durch den Schulsprecher, Klassenkameraden, besten Freund und bald größten Konkurrenten Minnigk. Denn dieser probt den Aufstand als Anführer einer Öko-Terrorzelle.
Leben retten, Leben leben: Mouth to Mouth von Antoine Wilson
Buch des Jahres Verdacht: Der Amerikaner Antoine Wilson hat mit Mouth to Mouth einen schlanken Ideenroman geschrieben, der Leser über Moral, Schicksal und Kunst nachdenken lässt. Geschrieben mit leichter Feder, liest sich dieser Roman stellenweise wie ein psychologischer Thriller und wie eine satirische Rundreise durch den zeitgenössischen Kunstbetrieb.
Mein sehnsüchtiges Herz: Heute graben von Mario Schlembach
Mario Schlembach ist mit Heute graben eine von morbider Romantik überquellende Autofiktion gelungen, die – großes Kompliment an den Verlag Kremayr Scheriau – äußerlich betörend schön ist und innerlich die dunkle Magie unerwiderter Liebe mit Pathos und Selbstironie beschwört.
Vorstellung, Sehnsucht, Hoffnung: Lamento von Madame Nielsen
“Wie hoffen, ohne glauben zu müssen”: So wird die Liebe in einer von vielen Passagen in Madame Nielsens hervorragendem Roman Lamento beschrieben. Es ist ein Buch über das Ver- und Entlieben und der Zeit dazwischen. Lamento erzählt von zwei Künstlern, die sich an ihrer Leidenschaft verbrennen, bis sie plötzlich kalt wird, nicht mehr geht. Es ist ein Roman, wie ihn nur eine Autorin schreiben kann, die gelebt und geliebt hat, verbrannt und erfroren ist, und die über die Liebe schreiben kann, mit all dem Pathos, der notwendig ist, ohne jemals pathetisch zu klingen.
Drei Bücher zum Vatertag
Himmelfahrt oder Vatertag? Hauptsache mit einem Bollerwagen voller Bücher durch die Gegend ziehen!
Frühlingsgefühle: Geschichten von der Liebe von Anton Čechov
Diogenes bringt nach den Winter– und Sommergeschichten nun auch den Frühling im Werk des Russischen Meisters Anton Čechov heraus. Frühlingsgefühle vereint wie die zwei früheren Bände ebenfalls Erzählungen aus verschiedenen Schaffensperioden des Autors, die mehr oder weniger dezidiert von der Jahreszeit als auch den sprichwörtlichen Frühlingsgefühlen erzählen. Es ist eine unterhaltsame, abwechslungsreiche, aber nicht durchgängig erstklassige Sammlung.
Mit dem Kopf in den Sternen: Der verschwundene Mond von Zoe Jenny
Zoe Jennys Debütroman Das Blütenstaubzimmer (1997) ist eines der wenigen Bücher, die ich drei Mal gelesen habe. Seitdem hat sie nicht viel veröffentlicht, zuletzt den Erzählband Spätestens morgen vor neun Jahren, alles eher kurze Bücher mit weniger als 200 Seiten. Nichts war annähernd so erfolgreich wie das vielfach übersetzte Debüt. Die betörend einfache, poetische Sprache hat sie aber nie verlassen und sie ist ihr auch im ersten Roman seit über zehn Jahren, Der verschwundene Mond, hold geblieben.