Spotify Wrap up geht nicht – leider keinen Account. Aber eine umfangreicher werdende Plattensammlung, die in diesem Jahr nicht nur um den einen (Electric Wizards Dopethrone) oder anderen Klassiker (The Haxan Cloaks Excavation) bereichert wurde, sondern auch einige überzeugende Neuerscheinungen aufnahm. Die besten drei in beliebiger Reihenfolge sind:
Scotch Rolex and Shackleton – Death By Tickling
Tod durch Kitzeln: Wahnsinnig amüsante Hörerlebnisse assoziiert man eigentlich nicht mit dem in Berlin lebenden Briten Shackleton, der vor vielen Jahren einst Dubstep mit auf den Weg brachte, sich aber alsbald in gänzlich eigene, verschlungene Klangpfade verabschiedete. Labyrinthartige, polyrhythmische Drums werden von geisterhaften Samples und finsteren Subbässen heimgesucht. Death By Tickling ist eine von zwei kollaborativen LPs und sein drittes Album in diesem Jahr. Seine Soloplatte The Scandal Of Time könnte hier ebenso stehen – ein unheimliches Gebräu typischer Shackleton-Manier, das uns mit deutschen Volksliedern in seelische Abgründe stürzt. Die andere Kollaboration, In The Cell Of Dreams mit Wacław Zimpel, fällt hingegen etwas ab – erstaunlicherweise, denn die erste Zusammenarbeit der beiden zählt zu meinen Lieblingsplatten des Briten überhaupt.
Warum also Death By Tickling? Ganz einfach: Mit Scotch Rolex hat er einen Bruder im Geiste gefunden. Der spricht musikalisch ebenfalls seine ganz eigene Sprache, orientiert sich dabei aber mehr an einem Hardcore-Ethos als an Dub. Wurde Shackletons Kompositionen mit den Jahren immer länger, bringt die Zusammenarbeit mit Rolex einen fokussierten Sound und ein paar neue Elemente. Tracks mit weniger als 5 Minuten Spielzeit sind sonst eine Seltenheit bei Shackleton. Auf Death By Tickling sind nur wenige länger als 7.
Death By Tickling ist dennoch unverkennbar eine Shackleton-Platte. Vor allem “Shattered” (so viel zum Thema Humor) beginnt mit unheilvoll reibenden Klanghölzern. Erinnerungen an eine alte Großtat des Meisters, “Burning Blood” werden wach. Eine gemeine, bassige Synthline kündigt einen okkulten Horrorfilm an, bis Handtrommeln und erstaunlich helle Percussions in den Track plätschern, untermauert von einem Bass aus den Tiefen des Marianengrabens. Irgendwie fallen diese Teile plötzlich ineinander und ein eher entspannt dubbiges Gesamtbild entsteht. – aber nicht für lange. Die Percussions werden unruhig, die Handtrommeln nehmen Fahrt auf – wir sind, man hätte es wissen können, in etwas Dunkles geraten. Die Synthies zieren Schlieren, Geräusche flackern dreidimensional durch den Raum – Shackleton at his best.
K-Lone – Swells
Der Wisdom Teeth Co-Gründer hat mit Swells eine von Anfang bis Ende geschmeidige Mischung aus Post-Dubstep und House zusammengestellt. Das Intro “Saws” umspült den Hörer mit träumerischen Pads und gleißend hellen Keys, bevor uns “Love Me A Little” mit seiner unverschämt rollenden Bassline auf die Tanzfläche schubst. Zurückhaltung ist auf Swells Trumpf, ein Dancehall-Sample schraubt die Euphorie des Beats noch eine Stufe höher, hier und da rascheln High-Hats, die Drums sind hier wie anderswo eher minimalistisch gehalten. Wenige Tracks sind so unwiderstehlich tanzbar wie “Love Me A Little”. Afterhours scheint eher das Programm zu sein. Seidige Keys fahren uns schon auf dem folgenden “Oddball” wieder runter. Die Synths evozieren G-Funk, der Beat klackert und raschelt unaufdringlich.
Das Highlight der B-Seite ist sicherlich “With U” mit Eliza Rose, die hier sehr eingenebelt von Echo und dennoch lieblich fragmentarisch vom Ende einer Liebe singt (“we tried / with u / there no is continue”). Der Downtempo-Beat würde sich auch auf einer Bonobo-Platte wohlfühlen. Kaffeekränzchen, Aufstehen, Nach- oder Vorglühen: Swells ist ein Album, das in viele Tageszeiten passt.
Meshell Ndegeocello – The Omnichord Real Book
Die Bassistin und Sängerin mit dem unaussprechlichen Namen legte Anfang der 1990er auf Madonnas inzwischen nicht mehr existentem Label Maverick los mit einer Mischung aus Funk, R’n’B, Hip Hop und Jazz. Seitdem wandelt sie auf musikalisch eigenen Pfaden, begeistert Kritiker und eine eingeschworene Gefolgschaft mit Songwriter-Alben (Bitter), Dub-Soul-Fusions (Comfort Woman), ausufernden Funk-Platten, auf die selbst Prince neidisch wäre und Nina Simone Tributes (Pour une âme souveraine). Mit The Omnichord Real Book ist sie nun auf Blue Note, dem altehrwürdigen Jazz-Haus, gelandet, ohne eine reine Jazzplatte aufgenommen zu haben. The Omnichord Real Book ist wie ein Magnum Opus, das viele Inkarnationen der Musikerin vereint. Stille Songwriter-Momente wie der lediglich von einem Klavier begleitete Selbst-Exorzismus “Gatsby” stehen wie selbstverständlich neben locker fließenden Jazz-Fusions wie “ASR” oder dem 8 Minuten langen Space-Funk “Virgo”. Trittsicher und locker zugleich schlüpft Ndegeocello von einem Stil zum Nächsten, macht sie sich zu eigen und gießt sie in ein Werk, das trotz aller Vielfalt unheimlich homogen wirkt. Absolut verdient für den Grammy nominiert!
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