Wenn rot kommt: Wer jetzt an den Weihnachtsmann denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Doch hat der, öhm, Roman, den uns die Autorin Petra Piuk und Fotografin Barbara Filips vorlegen, nur jahreszeitlich mit dem Fest der Liebe zu tun. Rot spielt hier auf rot und schwarz wie in Roulette an. Es ist eine Las Vegas-Geschichte, erzählt in Worten und rot gefilterten Schwarz-Weiß-Fotografien, die so ziemlich genau das liefert, was man sich unter einer Las Vegas-Geschichte so vorstellt.
Wenn rot kommt ist ein Text, bei dem ich unweigerlich an Fear and Loathing Las Vegas und den Film Hangover denken musste. Lisa, Erzählerin dieses Textes, wacht komplett verkatert und von Drogen induzierten Flashbacks heimgesucht in einem ziemlich chaotischen Hotelzimmer auf. Es ist der letzte Morgen eines Las Vegas Urlaubs irgendwann um die Weihnachtszeit. Das Problem: In zwei Stunden müssen sie und Tom am Flughafen sein. Nur ist von Tom – ihrem Partner – keine Spur.
Die Handlung reduziert sich auf einige wenige Stunden am Morgen, an denen Lisa nach Tom sucht und sich die rauschhaften Erlebnisse der vergangenen Tage in Fetzen bahnbrechen. Autorin Petra Piuk hakt hier alles ab, was man sich unter einem verspulten Vegas-Trip so vorstellt: Clubnächte, Casino-Glücksspiel, Stripshows, Elvis-Hochzeits-Kapelle, jede Menge Drogen, blinkende Neon-Schilder, eine Stadt im Rausch, voller Geld und unglaublicher Höhen und voll des Elends all jener, die in diesem Freudenfeuerwerk der Sünde verbrannt sind.
Erzählt wird das in einem angemessen flotten Ton. Die Dynamik aus Rausch und Filmriss findet in dem Tick Entsprechung, dass am Satzende stehende Verben weggelassen und manche Sätze – ebenfalls mit Ellipse – wiederholt werden. Das liest sich cool und aufregend, die rot getränkten Bilder tragen zur Atmosphäre bei, wenn bloß die Geschichte etwas mehr Atem hätte. Man wartet auf Wendungen, derer zum Schluss zwar eine und diese dann sehr abrupt, kommt, aber zur Mitte hin fängt das Auge an, wirklich schnell und zunehmend unaufmerksam über den Text samt seiner aneinandergereiht geschilderten Ausschweifungen zu gleiten. Die Dosis macht das Gift: Aufregendes kann eben auch ermüdend sein.
In den Flashbacks ist einiges los und tatsächlich bekommt man – Piuk und Filips haben vor Ort recherchiert – einen Einblick in das Schizophrene dieser Wüstenstadt mit ihren Glücksrittern. Doch in der Gegenwart des Textes passiert zu wenig mit Lisa, die von Halluzinationen geplagt planlos durch das Hotel stolpert. Irgendwann dämmert es einem: Der Text ist weniger originell und aufregend, als er vordergründig wirkt – es ist das Portrait einer Stadt, dass man so ähnlich schon gesehen hat. Daher: Wenn rot kommt ist unterhaltsam, verlässt sich aber zu sehr auf seine Gimmicks sprachlicher und – sehr zum Leiden der Lesbarkeit – typographischer Natur, anstatt auch auf inhaltlicher Ebene mehr zu bieten, als man von einer Las Vegas-Geschichte ohnehin erwartet.
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Wenn rot kommt ist bei Kremayr & Scheriau erschienen.
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