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Die Welt entglitt ihm: Crazy Land von Timotheus Ueberall

Crazy Land von Timotheus Ueberall - RezensionCrazy Land von Timotheus Ueberall ist ein beinahe fiebriger Text, in dem Protagonist Aki und Setting Wien in einen psychotischen Zustand abgleiten. Ueberall lässt das Politische und Persönliche parallel laufen, sich überkreuzen, ohne es für den Leser zu ordnen, zu entwirren. Es ist ein Abstieg in den Wahnsinn einer haltlosen Gegenwart.

Aki wohnt in Wien, hat zwei Freunde, Albert und Timotheus, später eine Liebelei mit Nina und Erinnerungen an eine Mutter, die ihn verließ. Sonst erfährt man gar nicht so viel aus seinem Leben. Aber vielleicht gibt es auch gar nicht viel, das erzählenswert wäre. Aki und seine Freunde gehen jedenfalls gern aus: Bars, Clubs, Afterhours. Alkohol, Speed und MDMA wie die Luft, die man atmet. Man schwadroniert über Kapitalismus, Kunstprojekte, den Klimawandel. Gebildet monologisieren die Protagonisten, aber tauschen sie sich wirklich aus? Und führt das klug klingende, kritische Gerede auch irgendwohin?

Eigentlich nur in den nächsten Kater. Denn die Action findet auf der Straße statt, flimmert als Videos in sozialen Medien und im Fernsehen. Die Stimmung ist aufgeheizt. Klimaaktivisten, die neue Rechte – es brodelt. Ueberall verknüpft den verloren durch die Nacht driftenden Aki mit Referenzen auf politischen Protest in der Stadt, ohne Erklärungen anzubieten. Sind die durch die Nacht ravenden, politisch offenbar gebildeten Raver am Ende nur Biedermeier, die sich im eigenen Rausch verlieren, während andere in den Kampf ziehen? Oder ist die unüberschaubare Lage der Aktivisten, die sich letztlich gewaltsam entlädt, mit der unbehausten Verbindungslosigkeit der Protagonisten gemein?

Für Aki tut sich zumindest in einer Nacht ein Lichtblick auf, der in eine Zukunft weisen könnte: Die Raverin Nina nimmt ihn eines Nachts mit aus dem Club nach Hause. Liebe steht im Raum. Aber Aki driftet immer weiter in eine Psychose. Während Nina in der Gegenwart glücklich sein will, verliert Aki jeglichen Bezug zur Realität und steigt hinab in eine unheilvolle Paranoia.

Crazy Land von Timotheus Ueberall ist eine triste Zeitdiagnose. Manchmal wünscht man sich vielleicht etwas mehr Hintergrund zu den Personen – was machen sie eigentlich, um sich ihren Lifestyle zu finanzieren? –, aber wahrscheinlich hat genau dies Methode in diesem Roman, in dem die Welt nicht nur dem Protagonisten zu entgleiten droht.

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Crazy Land von Timotheus Ueberall ist bei Kremayr & Scheriau erschienen.

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