Interne Ermittlungen – das klingt nach Krimi oder Noir. Aber Ralph Schocks mit dem Paratext Erzählungen versehene Textsammlung enthält autobiografische Lebenserinnerungen des saarländer Herausgebers und Literaturredakteurs. Erinnerungen an Reisen, an Familienmitglieder, an Weggefährten und Autoren führen Leser durch die Nachkriegs-BRD, ihren drängenden und doch verschwiegenen Fragen.
Viele der versammelten Texte sind bereits in anderen Medien erschienen und eine große Zahl widmet sich Verstorbenen. Vor allem der zweite Teil der Sammlung besteht aus Nachrufen auf dahingeschiedene Literaten wie Lenka Reinerová und Marie-Luise Scherer oder Künstlern wie Andrea Neumann, die Ralph Schock in oftmals beruflicher Kapazität kennenlernte. Es sind wunderbare, auf persönlichen Anekdoten aufgebaute Erinnerungen, die flüchtig das Wesen der Verstorbenen im subjektiven Blick Ralph Schocks einfangen, als über deren Lebenswerk zu referieren. Dafür gibt es schließlich Wikipedia.
Auch der vordere Teil von Interne Ermittlungen befasst sich mit Vergangenem, ohne abgeschlossen zu sein. Gleich mehrere aufeinander folgende Texte befassen sich mit Erinnerungen an den Vater, der im Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien im Einsatz war. Fragen aus dem kollektiven Gedächtnis:
Und warum hatte ich nie genauer nachgefragt, damals, als es noch möglich gewesen war? Oder hätte ich mich geschämt? Vor ihm oder für ihn? Vor seinen eventuellen Antworten? (49)
Andere Erinnerungen nehmen Leser mit ins Altenpflegeheim zur dementen Mutter, ins Konzentrationslager oder einen abenteuerlichen Urlaub in Kroatien. Interne Ermittlungen ist ein feiner kleiner Band, der Menschen in ihrer Zeit in oftmals wenigen Zeilen kritisch, aber empathisch porträtiert. Lesenswert.
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Interne Ermittlungen von Ralph Schock ist beim Verbrecher Verlag erschienen.
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