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Anspannen, loslassen: Alandazu von Azu Tiwaline & Allen Wootton

Alandazu Die Tunesierin Azu Tiwaline hat sich einen Namen mit experimentellen Produktionen irgendwo an der Schnittstelle zwischen Dub und Techno gemacht. Der Brite Allen Wootton ist eher für Garage und Dubstep bekannt. Dub ist die große Gemeinsamkeit zwischen beiden, die sie auf ihrer ersten gemeinsamen EP Alandazu auf unglaublich frische und atmosphärisch dichte Weise neu erkunden. Es sind zwanzig aufregende Minuten Musik, die sich trotz der bassschwangeren Basis keinem einzelnen Genre zuordnen lassen.

Knisternd und dröhnend geht es los, abgefedert durch schwummrige Dub-Chords und durch den akustischen Raum hallende Trommeln: Wenn “Blue Dub” ein Gemälde wäre, würde der gesamte Raum genutzt werden, ohne jeden Zentimeter davon zuzukleistern. So paradox es klingen mag, ist der Eindruck karg und lebendig, federnd und schwer zugleich. Und das ist erst das Intro, in das sich eine Bassline ähnlich den Rotoren eines Hellicopters schiebt – ist das noch Dub oder schon Dubtechno?

Der Spannungsfaden wird straff aufgezogen, und diese sich aufbauende Spannung lösen Azu Tiwaline und Allen Wootton immer wieder effektvoll mit Understatement auf: Plötzlich gibt es einen Moment fast völliger Stille, die fast erdrückend wird. Der Drop, den der Hörer erwartet, als die Spannung kaum noch auszuhalten ist – man spürt sie fast körperlich – nehmen sie einfach wieder auf, in dem die Bassline einfach zurück in den Song gelassen und weitere rhythmische Elemente aus Handtrommeln aufgeschichtet werden. Mehr Drama, mehr Swagger geht nicht – ohne nach Effekten zu haschen.

Das folgende “Light Transmission” bringt etwas Entspannung: Ein mächtiger, aus den richtigen Boxen markerschütternder, aber gemächlich rollender Bass bildet den Teppich, auf dem sich mit Hall versetzte Sounds tummeln. Die später eingestreuten Hi-Hats schieben die Gleichung von Dub etwas in Richtung Garage, wenngleich die für Dub so typische akustische Tiefenwirkung hier die Hauptrolle spielt.

Die B-Seite von Alandazu wiederholt die Taktik aus Spannung und Entspannung. “Nine Points” hat eine an Shackleton erinnernde, schamanische Qualität: Bedrohlich knarrend zieht sich ein Geräusch über Trommeln und Chants, wie die Vorbereitungen eines Rituals. Dynamik kommt durch hibbelige Rhythmen ins Spiel, die ineinanderwirbeln und ein dreidimensional klingendes, polyrhythmisches Hexengebräu bilden. Wer genau hinhört, erkennt viele kleine Highlights: Beispielsweise wie einzelne Sounds quer über das Spektrum des Mixes verschoben werden, wie sie aus dem Mix und wieder hinauslaufen, als würde der Track kontrahieren.

“Last Scene” entlässt den Hörer aus der EP mit einem sonoren Brummen, mit einer Soundpalette, die an The Haxan Cloaks Meisterwerk Excavation erinnert: Es brummt und schummert, mehr Abstraktion als Struktur, eine dunkle Beschwörung, die Platte wieder umzudrehen und sich erneut in “Blue Dub” zu verlieren.

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Alandazu von Azu Tiwaline & Allen Wootton ist bei Livity Sound erschienen als Vinyl und Download.

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