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Träume von Freiheit: Romantik in Russland und Deutschland im Albertinum

Traumlandschaften: Romantik in Russland und Deutschland im AlbertinumFreiheit ist wieder ein stärker umkämpfter Begriff, seit uns coronabedingt Einschränkungen dieser im Alltag spürbarer begleiten. Die reine Freiheit gibt es freilich nicht seit der Mensch in Gesellschaften lebt. Die eigene Freiheit hört schließlich dort auf, wo sie die des nächsten beschränkt. Man gibt ein bisschen Freiheit und bekommt ein bisschen Sicherheit, ist die nüchterne Betrachtungsweise. Vorstellungen von Freiheit wandeln sich selbstredend und auch davon zeugt unter anderem die neue Sonderausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Albertinum unter dem Titel Träume von Freiheit: Romantik in Russland und Deutschland, die vordergründig natürlich traumhafte Landschaften getaucht in Farben der Sehnsucht und Melancholie zeigt.

Mit der Romantik bog die Menschheit gen Moderne ab: Religion und Repräsentation werden in der Kunst allmählich von Gefühl und Individualismus abgelöst, ohne sich jedoch gänzlich von der Vergangenheit zu verabschieden. Das hat historische Gründe, die in Träume von Freiheit: Romantik in Russland und Deutschland als Kontext in Begleittexten dargestellt werden. Die Versprechen der Französischen Revolution stehen den Kriegen Napoleons auf dem gesamten Kontinent gegenüber (auch in Dresden machte der Herrscher halt, seine Reitstiefel sind sogar Exponate der Ausstellung). Ein Wechselspiel zwischen Aufbruch / Aufbegehren und Rückbesinnung / Unterdrückung bestimmt die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt von dem Ende Napoleon Bonapartes Herrschaft, Restauration und Aufständen sowie der Industrialisierung.

Auf den Bildern russischer und deutscher Maler, die Träume von Freiheit: Romantik in Russland und Deutschland zeigt, ist oberflächig betrachtet wenig von diesen Umwälzungen zu sehen. Sie wirken oftmals eher eskapistisch: Präsentiert wird ein Festmahl für die Augen, wir sehen rauschende Meereskünsten, Nächte im Mondschein und Landschaften getaucht in den feurigen Schein des Sonnenuntergangs. Gemein ist fast allen die Weite des Horizonts, das Versprechen der Ferne. Viele der gezeigten Gemälde kennt man aus Büchern, vergangenen Sonderausstellungen sowie den Räumen der Dauerausstellung wie Casper David Friedrichs “Zwei Männer in Betrachtung des Mondes” (1819/20). In dem Bild beobachten zwei Männer zwischen einer immergrünen Fichte und einer entwurzelten Eiche, Symbole der Erneuerung und Vergänglichkeit, dem Betrachter den Rücken zugewendet und in Altdeutscher Tracht gekleidet, in vertrauter Nähe den zunehmenden Mond.

“Die Brüder A. I. und S. I. Turgenev mit W. A. Schukowski” (1827) von Casper David Friedrich
“Die Brüder A. I. und S. I. Turgenev mit W. A. Schukowski” (1827) von Casper David Friedrich

Von deutscher Seite sind mehrheitlich Bilder von Friedrich und Dahl, die bereits vor wenigen Jahren im Albertinum in einer Sonderausstellung zusammengeführt wurden, sowie von Carus und Oehme zu sehen. Als Sujets zeigen die Werke das Elbtal, die Ostsee, Dresden und Italien. Auch hier findet sich Anknüpfung zu einer vergangenen Sonderausstellung, Italienbilder zwischen Romantik und Realismus. Die dargestellten Landschaften sind dabei nicht immer Abbilder der Realität, es sind Traumlandschaften, die die Maler auf der Leinwand zusammensetzten. Ein Beispiel dafür ist “Die Brüder A. I. und S. I. Turgenev mit W. A. Schukowski” (1827) von Casper David Friedrich, das als Leihgabe aus Moskau erstmals in Dresden zu sehen ist. In dem kleinformatigen Ölgemälde blicken die drei Männer, wie bei Friedrich üblich nur mit dem Rücken abgebildet, von der Brühlschen Terrasse auf eine Ostseelandschaft – einer der Sehnsuchtsorte der Romantiker.

"Balkon in Neapel" (1829/30) von Carl Gustav Carus
„Balkon in Neapel“ (1829/30) von Carl Gustav Carus

Ebenfalls als Sehnsuchtsort gilt Italien, das beispielsweise Carus als Leibarzt des Königs bereiste. Neben den traumhaften Vistas, die vor allem Süditalien bot, zeugen auch diese Werke von einem spannungsgeladenen Verhältnis zwischen der Melancholie für eine vergangene Zeit und der Flucht in die Ferne, die Sehnsucht nach neuem, die der in diesen Bildern allgegenwärtige Horizont repräsentiert. Nicht immer, aber häufig und besonders bei Friedrich, sind in ihren Landschaftsbetrachtungen versunkene Menschen abgebildet, ohne aber viel Raum auf der Leinwand einzunehmen. Sie blicken gen Horizont oder auf Zeugnisse des Vergangenen, Dinge, die nicht mehr, oder noch nicht sind. Romantik ist das, was nicht ist, ein inneres Sehnen des Individuums, das in diesen traumhaften, nicht selten mythisch anmutenden Landschaften, innehält und etwas verloren ist.

Die Ausstellungsräume, gestaltet von Daniel Libeskind, sind labyrinthartig organisiert und sollen die Orientierungslosigkeit des Wanderers, zentraler Figur der Romantik, widerspiegeln. Sie sind jedoch nicht ohne Ordnung, sondern thematisch organisiert nach Begriffen wie Religion, Heimat und Freiheit sowie den Künstlern, die mehrheitlich abgebildet sind. Von russischer Seite sind hauptsächlich Bilder von Alexej Gawrilowitsch Wenezianow und Alexander Andrejewitsch Iwanow ausgestellt. In deren Bildern ist ein stärkerer Bezug zu Religion und Landwirtschaft zu erkennen als bei den deutschen Vertretern der Romantik. Persönlich verzaubert haben mich die stimmungsvoll-schmachtenden Werke von Grigori Wassiljewitsch Soroka, einem Schüler Wenezianows.

"Blick auf das Landgut Ostrowski von der Großen Insel aus" (ca. 1840) von Soroka
„Blick auf das Landgut Ostrowski von der Großen Insel aus“ (ca. 1840) von Soroka

Ergänzt werden die Werke aus dem frühen 19. Jahrhundert um Exponate aus der zeitgenössischen Kunst, die die Fäden dieser Epoche aufgreifen und, meist als audio-visuelle Kunst, das Individuum ähnlich verloren in nicht mehr ganz so romantisch angehauchten Landschaften zeigen. Irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft ist der Mensch also immer noch Mensch, sich sehnend nach dem, was (noch) nicht (mehr) ist.

 

 

 

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Romantik in Russland und Deutschland ist noch bis zum 6. Februar 2022 im Albertinum zu sehen. Mehr Informationen auf den Seiten der SKD.

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