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Wrong (A Critical Biography of Dennis Cooper) von Diarmuid Hester

Wrong A Critical Biography of Dennis Cooper Diarmuid HesterLyriker, Romancier, Dramaturg, Herausgeber, Blogger, Filmemacher: Der heute 67-jährige Dennis Cooper hat ein umfassendes Werk hervorgebracht, das nach wie vor in Entwicklung ist. Ende Juni erschien ein neues “GIF novel” (Zac’s Drug Binge [Vorsicht!]), ein zehnter, womöglich letzter Roman (I Wished) wurde für 2021 angekündigt. Cooper ist ein bewunderter oder verachteter, zweifelsfrei ein nachhaltig die Literatur beeinflussender und in seiner künstlerischen Vision absolut kompromissloser Schriftsteller. Behandelt wurde sein Werk in der Wissenschaft bisher aber nur in Aufsätzen. Jetzt – endlich – verlegt die University of Iowa Press die kritische Biografie Wrong, das Ergebnis einer eine Dekade dauernden Recherche von Diarmuid Hester.

Wrong ist meine erste Begegnung mit einer kritischen Biographie und möglicherweise ist nicht jedem Leser gewahr, um was für eine Art von Buch es sich dabei handelt: Es ist keine kritischer Hinterfragung des Lebens einer Person, sondern die Nachzeichnung seiner Biografie, vornehmlich über das Werk, das diese erschaffen hat. Wrong beleuchtet also sowohl die Lebensstationen Coopers in enger Auseinandersetzung zu den Werken, die er dabei schuf. Organisiert ist Wrong sodann in überwiegend chronologischer Reihenfolge nach unterschiedlichen Schaffensperioden, bewegt sich von Coopers Anfängen als Lyriker und Herausgeber in der Untergrundliteratur von erst Los Angeles und dann New York über seinen berüchtigten George Miles Romanzyklus, seinem Umzug nach Frankreich und seiner Zusammenarbeit mit der französischen Regisseurin Gisèle Vienne bis zu seinen “GIF novels” und Filmen, die in Zusammenarbeit mit Zac Farley entstanden.

Coopers Einbindung in die literarischen und im weitesten Sinne künstlerischen Szenen unterschiedlicher Städte zu unterschiedlichen Zeitpunkten bringt es mit sich, dass Wrong nicht ausschließlich am Schaffen Coopers klebt: Wer Wrong liest, erfährt viel vom literarischen, von Punk geprägten Untergrund in Los Angeles, der queeren Kunst- und Literaturszene New Yorks in den 1980er Jahren samt ihrer Begleiterscheinungen. So gesehen ist Hesters kritischer Biografie auch ein Buch über die jüngere Literaturgeschichte, das andere Lichtgestalten queerer und transgressiver Literatur wie Robert Glück oder Kathy Acker streift.

Dreh- und Angelpunkt bleibt natürlich Cooper und die Stärken und Schwächen Diarmuid Hesters kritischer Biografie laufen bei der Hauptfigur zusammen. Wohl die meisten Leser von Coopers Texten bleiben nach der Lektüre seiner Bücher etwas gerüttelt zurück, mit mehr Fragen im Kopf als man sie hatte, bevor man das jeweilige Buch aufschlug. Der große Reiz von Wrong mag für viele dann sicher in den critical readings seiner schwer zu durchdringenden Texte liegen. Hester bietet viele Schlüssel an, mit denen sich das Werk Coopers besser erschließen lässt. Einen der wichtigsten findet sich gleich auf den ersten Seiten, auf denen Erweckungsmomente geschildert werden, die Coopers künstlerisches Projekt verständlich machen wie auch seine Faszination mit (sprachlichen) Bildern sexueller Gewalt und dem aussichtslosen Verlangen vollständiger Nähe. Letzteres ist begründet in Coopers Freundschaft zu dem psychisch kranken George Miles, zu dem ihm eine Liebe verband, die nie wirklich realisiert werden konnte, da dieser sich das Leben nahm – wovon Cooper erst drei Jahre nach Miles’ Tod erfuhr. Coopers Werk, vor allem der nach seinem Freund benannte Romanzyklus, ist ein Monument für den Verstorbenen.

Während die Verbindung zu George Miles als eine treibende Kraft hinter Coopers literarischen Schaffen durch zahlreiche Interviews bereits bestens dokumentiert ist, ist eine andere Szene aus Coopers Leben emblematisch für dessen Herangehensweise an Kunst. 1968 besuchte Cooper im Rahmen eines Schulausflugs eine Ausstellung im Los Angeles County Museum of Art, wo ihn eine mit Wrong betitelte Fotografie des Künstlers John Baldessari nicht mehr losließ. Es handelt sich dabei um eine Fotografie von einem Mann in einer Vorstadt vor einem Haus. Vom Bildausschnitt über die Komposition ist vieles an der Fotografie “falsch” – es unterwandert die Vorstellungen von “guter Kunst”. Der Rückschluss, der sich daraus ziehen lässt, ist, dass um Kunst zu sein, das Kunstwerk falsch sein muss – “conventions must be shattered, the aberrant must be included” (3). Nicht nur formal, so Hester, ist diese Fotografie wegweisend für Cooper gewesen, der immerhin seinen ersten Erzählband danach benannte, auch inhaltlich. Denn was die Fotografie zeigt – weißen Nachkriegswohlstand – untergräbt sie durch ihre schiefe Komposition: Sie ist “falsch” (4).

Episoden wie diese stellen die große Stärke Hesters kritischer Biografie dar, ebenso wie das umfassende Bild, das man von den Kunst- und Literaturzirkeln bekommt, die Cooper streifte und prägte. Ebenso die gründliche Auseinandersetzung mit seinen Werken ist vor allem in der ersten Häfte dieser knapp 300 Seiten erhellend, lässt in der Tiefe im zunehmenden Verlauf leider etwas nach. Späteren Romanen, allen voran My Loose Thread und das kaum erwähnte God, Jr., wird nur wenig Raum eingeräumt und Hester schweift zu sehr in angrenzenden Themen ab. Ebenso kann sich dem Leser der Eindruck aufdrängen, Cooper hätte nur zu Beginn seiner Karriere als Lyriker gearbeitet, da sein letzter Band The Weaklings (XL) (2013) gar nicht erst erwähnt wird. Auch wäre die Inklusion kritischer Stimmen in Bezug auf Coopers Werke in diesen Text durchaus wünschenswert gewesen – man merkt, dass Hester ein großer Verehrer Coopers Kunst ist. Das kann man ihm nicht verübeln, doch auch die Inklusion gegensätzlicher Positionen hätte er für seine kritische Biografie produktiv machen können.

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Wrong ist bei der University of Iowa Press erschienen. 

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