Zurzeit ist ja vieles anders. Und so hat das Weimarer Elektronik-Label Giegling meines Wissens erstmals eine Veröffentlichung digital verfügbar gemacht, weil die Auslieferung der Vinyls sich wohl etwas ziehen könnte. Ein Glück: Mirror, das Debütalbum von Leafar Legov, begleitet mich auf meinen täglichen Spaziergängen durch die Nachbarschaft. Es ist der passende Soundtrack zum Flanieren bei früh-frühlingshaftem Wetter im Moment sozialer Distanz: Friedvoll, warm, aber irgendwie auch ziemlich wehmütig.
Wenn Mirror so etwas wie einen Hit hat, dann ist das auf einem Breakbeat aufgebaute “Fade”, dessen sonore Synthesizer in der Magengegend brummen, während eine verloren klingende Computerstimme von den Verwerfungen einer (zerbrochenen?) Beziehung singt: “You see me one more time / before you fade away / you go right through me”. Die restlichen elf Stücke geben sich unaufdringlicher. Eine überwiegend warme, an Jazz angelehnte Instrumentierung dominiert die Soundpalette. Kaum verwunderlich bieten sich Momente der Erinnerung an den knisternd-warmen House von Jan Jelineks Loop-Finding-Jazz-Records wie “In our Mirror” oder das träumerische “Mit Dir”.
An andere Stelle denkt man an Burial in weniger düster. “Sardegna” ist beispielsweise tief in Meeresrauschen gehüllt, durch das helle Keys und ein fragmentiertes, hoch gepitchtes Vocal Sample geistern. Auch “Hidden Treasure” verweist mit seinem 2Step-Beat und der melancholischen Grundstimmung auf den Londoner.
Über weite Strecken klingt Mirror weniger als das Werk eines elektronischen Musikproduzenten. Viele der zwölf Songs haben eher etwas von einer Ein-Mann-Jazzband. Ohne Beat, dafür mit Holzblasinstrumenten, Glockenspiel, huschelnden Drums und trägem Bass sind Stücke wie “Wave” oder “Abbas” ein Ton gewordenes Sinnieren an faulen Sonntagen. Am Ende des wehmütig verrauschten “Fly” erklingt eine Männerstimme, die an alte Zeiten denkt: “I want to make piece / I want to sit with it / look up at the stars / like we used to do / so long ago”.
Zurückhaltung und Zurückblicken sind zwei Worte, die einem beim Hören von Mirror in den Kopf kommen. Es spinnt sich beim Hören ein Film über jemanden, der an eine verlorene Liebe denkt. Selbst wenn Leafar Legov die Taktzahl etwas nach oben schraubt, dann kommt sie in Form einer beinah traurig-taub klingenden Bassline wie in “The Slip”, die vom Grundrauschen, das vielen der Songs gemein ist, fast verschluckt zu werden droht, wie eine Kehle, die zu geht. Helle Streicher und Chöre drängen gen Tränendrüse, kurz zum Finale wirbeln sie aufgeregt ineinander, nur um sich wieder aufzulösen und leises Knistern bleibt.
Schöne Musik.