Arthur Weniger ist in der Krise: Ein ewig jung gebliebener, mittelmäßig erfolgreicher Schriftsteller, steht er kurz vor dem 50. Geburtstag. Sein Liebhaber von neun Jahren hat sich entschieden, jemanden anderes zu heiraten und sein neuer Roman wurde vom Verlag abgelehnt. Um all den schlechten Nachrichten zu entfliehen, macht er eine Weltreise, während derer er von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt.
Arthur Weniger ist ein “Autor, der zu alt ist, um als frisch und unverbraucht zu gelten, und zu jung, um wiederentdeckt zu werden” (13). Er muss also eher kleine Brötchen backen: Er bekommt Einladungen zu Konferenzen und Interviews, um über andere Schriftsteller zu sprechen oder ein Schreibseminar zu geben. Karrieretechnisch auf dem Abstellgleis, läuft es für den ewig jung Gebliebenen auch privat nicht mehr. Seit er Anfang 20 einem älteren, später mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Dichter begegnete und mit ihm eine lange, letztlich zerbrochene Beziehung führte, zog Weniger es vor, die Dinge eher unverbindlich zu halten.
Weniger will allein sein, ohne dabei wirklich allein zu sein. Ein Trugschluss: Denn nachdem Freddy, der jüngere Mann, mit dem ihm neun Jahre eine Liebschaft verband, schließlich erwachsen wird und einen anderen heiratet, stellt das sein Leben auf den Kopf. Die Hochzeitseinladung will er nicht annehmen, will nicht mal mehr in der Stadt sein, wenn das Fest stattfindet. Und so sucht er sich eine Reihe Einladungen zu Konferenzen, Lehraufträgen und Preisverleihungen zusammen, die den Amerikaner über Mexiko nach Berlin, Paris, Marokko, Indien und Japan führen. Dabei trifft er auf neue und alte Bekanntschaften. Er erinnert sich an alte Reisen, blamiert sich ein paar Mal, verliebt sich auf einem Balkon in Paris, beginnt eine Affäre mit einem Studenten in Berlin (die Freunde seiner Affäre nennen ihn Peter Pan).
Andrew Sean Greer hat mit Mister Weniger eine schwungvolle Komödie geschrieben, die gespickt ist mit Wortwitz, zwinkernden Randbemerkungen und kleineren Slapstick-Einlagen, ohne jemals albern oder platt zu sein. Denn so unterhaltsam es auch ist, diesem etwas verpeilten und doch einnehmenden Mann um den Globus zu folgen, lässt er ihn in seinem leuchtend blauen Anzug nicht nur von einem Missverständnis ins nächste stolpern, sondern auch immer wieder in Momente, die genau diese schönen Einsichten über das Leben bringen, die einem das Alter schenkt. Als der verpeilte Weltreisende durch das Fenster seines frisch bezogenen Berliner Apartments einsteigen muss, weil er nach einer durchzechten Nacht den kniffligen Türöffnungsmechanismus vergessen hat, kommentiert der Erzähler die Szene mit diesem Bonmot: “Das ist die Scham, ohne die das Leben nicht zu haben ist” (138). An späterer Stelle vergleicht er den Versuch, Liebe oder Trauer zu erklären, “als würde man in den Himmel zeigen und sagen, ‘Der da, dieser Stern, genau der’” (308).
Mister Weniger liest sich, als würde der Erzähler – dessen Identität bis zum Ende des Romans offen bleibt – über seinen Protagonisten tratschen. Dies aber nie bösartig, sondern auf eine “mit und nicht über jemanden Lachen”-Weise. Das macht Andrew Sean Greers Roman zu einer berauschend unterhaltsamen Lektüre. Der Fischer Verlag, bei dem der 330 Seiten starke Roman erscheint, hätte keinen besseren Veröffentlichzeitpunkt wählen können, als diesen sommerlichen Frühling. Mister Weiger ist ein süffisant geschriebener Sommerroman, ein Buch wie eine Urlaubsromanze, die viel zu schnell vorbei ist und an die man noch Jahre später mit einem Lächeln zurückdenkt.
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Die Originalausgabe von Mister Weniger erschien 2017 unter dem Titel Less bei Lee Booudreaux Books. Übersetzt von Tobias Schnettler ist die deutsche Erstausgabe bei Fischer als Hardcover erhältlich.