Der schwule Onkel Patrick, oder kurz GUP oder auch The Guncle (für gay uncle) hat aus einem traurigen Anlass heraus das Glück, einen Sommer lang auf seine Nichte und seinen Neffen aufzupassen. Denn seine beste Freundin, die später seinen Bruder heiratete und mit ihm zwei Kinder bekam, ist nach schwerer Krankheit verstorben. Greg, so der Name des Bruders, ist tablettenabhängig und begibt sich in Rehab und überlässt nun also Patrick die Kinder. Es wird ein unvergesslicher Sommer, der natürlich nicht frei von Komplikationen ist.
Zaungast des Lebens: Das Archiv der Gefühle von Peter Stamm
Das Archive der Gefühle klingt als Titel erst einmal etwas bräsig nach Schmonzettenheft. Der Eindruck täuscht: Gefühle und ein Archiv spielen in Peter Stamms Roman, in dem ein namenloser Erzähler, inzwischen 55 Jahre alt, von seiner Einsamkeit und den Erinnerungen an seine große Liebe, Franziska, erzählt, tatsächlich eine essenzielle Rolle. Es ist aber kein Text verkitschter Liebe, sondern des Stillstands und des zarten Aufbruchs, der uns fragt, ob nur die unerfüllte Liebe die Zeit übersteht.
Böckchen ahoi: Der Schiffskoch von Mathijs Deen
Ein Böckchen sticht zu See: Der Schiffskoch in Mathijs Deens kurzem Roman möchte für die Besatzung des Feuerschiffs, auf dem er arbeitet, ein Gericht aus seiner Kindheit kochen. Hauptzutat ist besagtes Böckchen, das zwischenzeitlich den Matrosen den Kopf verdreht. Der Schiffskoch ist eine kurzweilige, launige wie feinfühlige Erzählung über das Seemannsleben und die Vergangenheit, die sich, ganz gleich wie lang sie zurückliegt, in Wellen immer wieder Bahn bricht.
Austrian Psycho: Salonfähig von Elias Hirschl
“Imitiere dein Idol so lange, bis du sein Verhalten perfekt kopiert hast” (10): Der namenlose Erzähler in Elias Hirschls Roman Salonfähig ist besessen von Julius Varga, einem aufstrebenden Kanzlerkandidaten einer konservativen Partei in Österreich, der stark an Sebastian Kurz erinnert. Als Leser verbringen wir einige Tage im Kopf dieses jungen Mannes, der in Wiens unfein feinen Gesellschaft unterwegs ist und mehr eine Abstraktion seiner Vorstellungen als ein Mensch ist.
Wiener Eigentümlichkeiten: Mein Lieblingstier heisst Winter von Ferdinant Schmalz
Es hängt was schief in der Alpenrepublik des Kanzler Kurz: Zumindest Mein Lieblingstier heisst Winter von Ferdinant Schmalz wie auch Ameisenmonarchie im Frühjahr und der dieser Tage erschienene Roman Salonfähig von Elias Hirschl zeichnen ein grausiges Bild der Wiener Gesellschaft: Opportunismus und Mauschelei regieren die Protagonisten dieser Bücher. Mein Lieblingstier heisst Winter ist der vielleicht radikalste Text dieser Gruppe, eine inhaltlich wie sprachlich vertrackte Satire über geheime politische und wirtschaftliche Machenschaften, in deren Zentrum sich unverhofft der treffend benannte Franz Schlicht wiederfindet.
Deeskalation im Wald: Herren der Lage von Castle Freeman
In den Wäldern Vermonts ist eigentlich nicht viel los. Sheriff und “Abreger” Lucien muss ab und an die Lage entspannen, wenn irgendwo der Haussegen schief hängt. Nun kommt aber Ärger aus der Stadt, der ihm über den Kopf zu wachsen droht. Castle Freemans Herren der Lage ist ein launiger Kleinstadt-Krimi voller Männer, die öfter mal auf ihre Frauen hören sollten.
Das Licht in der Dunkelheit: Junge mit schwarzem Hahn von Stefanie vor Schulte
Stefanie vor Schulte ist ein düsteres Märchen mit strahlend hellem Stern geglückt. Junge mit schwarzem Hahn ist eine Heldenreise durch ein nicht näher benanntes Land in einer nicht näher benannten Zeit. Feudale Strukturen lassen auf das Mittelalter schließen, der schwarze – sprechende – Hahn auf ein Sagenreich. Es ist zumindest eine dunkle, empathielose Zeit, Junge mit schwarzem Hahn eine Warnung, dass man durch Empathielosigkeit nicht zurückfallen möge in eine Gesellschaft, in der jeder nur das eigene Überleben sieht.
„Die Trauer ist ein nasses Gefühl im Magen“: Auszeit von Hannah Lühmann
Hannah Lühmanns Debütroman Auszeit ist ein Buch der Innerlichkeit. Henriette ist an einem toten Punkt in ihrem Leben angekommen: Nachdem sie ihr aus einer Affäre entstandenes Kind abgetrieben hat, fällt sie in eine Depression, die sie alles in Frage stellen und ratlos zurück lässt. Mit ihrer besten Freundin Paula fährt sie in eine einsame Waldhütte in Bayern, um aus dieser Auszeit heraus neu zu sich zu finden. Die Reise ist, wie sich am Ende herausstellt, eine Schleife.
Selbstfindung mit Warpgeschwindigkeit: Trafik von Rikki Ducornet
Rikki Ducornets kurzer Roman Trafik entführt uns in eine Zukunft, die hoffentlich nie kommt. Die hauptsächlich menschliche Quiver ist mit ihrem mechanischen Kompagnon Mic in den endlosen Weiten des Weltraums unterwegs, um Rohstoffe zu suchen und zu bergen. Die Erde ist schon lange Geschichte, zerrieben durch eine “Kaskade von Katastrophen”.
Ewig leben, Abschiednehmen: Malagash von Joey Comeau
Sunday schreibt einen Computervirus, weil ihr Vater an Krebs stirbt: In dem Virus soll er als Geist für immer weiterleben. Malagash, benannt nach dem Ort, an dem die Handlung spielt, ist aber kein Science-Fiction Roman. Vielmehr ist der Virus eine Art coping mechanism für den Teenager, der Abschied von seinem Vater und dadurch auch von der selbtbezogenen Weltsicht der Jugend nehmen muss.