Meine Leseliste wird selten kürzer. Für jedes ausgelesene Buch landet ein neues im Briefkasten (oder auch zwei). Einige Anschaffungen aus dem letzten Jahr liegen noch un- bzw. angelesen auf dem Nachttisch und sicherlich warten auch noch ein paar Bücher aus den Jahren davor darauf, endlich aufgeschlagen zu werden (The Orphan Master’s Son von Adam Johnson fällt mir spontan ein). Manchmal hat man einfach mehr Neugier als verfügbare Zeit. Dennoch: Beim Blick in die Verlagsprogramme sind mir drei Ankündigungen ins Auge gestochen, für die ich mir Zeit reserviert habe.
Der böse Mensch von Lorenz Just [Kritik]
Kurze Erzähltexte fristen ein eher stiefmütterliches Dasein in der hiesigen Literaturlandschaft. Erzählbände erscheinen bei großen Verlagen wenn überhaupt nur von etablierten Schriftstellern. Wenn ein Verlag wie Dumont mit Der böse Mensch den Erzählband eines Nachwuchstalents veröffentlicht, weckt das Neugier.
Leben in Zeiten des Terrors: So laut die Stille von Laurence Tardieu
Frankreich hält den Atem an: Seit dem 7. Januar 2015, als zwei Männer die Redaktionsräume von Charlie Hebdo stürmten und beinah die gesamte Redaktion in wenigen Minuten auslöschten, befindet sich das Land im Ausnahmezustand. Was macht das mit der Seele eines Volkes? Wie soll man weiterleben, Worte finden für eine Barbarei, für die es keine gibt? Die Schriftstellerin Laurence Tardieu versucht sich ganz privat und behutsam in ihrem aktuellen Roman So laut die Stille dem Schrecken zu stellen.
Leben ohne Tod: Null K von Don Delillo
Was ist das Leben, wenn es kein Ende hat? Don Delillo ist mit seinem aktuellen Roman Null K ein im besten Sinne intellektueller Roman gelungen, in dem sich der inzwischen 80-jährige Schriftsteller den großen Fragen zuwendet, darunter dem Verhältnis von Kunst und Leben, Sprache und Identität sowie der Beziehung zwischen Vätern und Söhnen.
Ian Stansel – The Last Cowboys of San Geronimo [Kritik]
Zu Beginn von Ian Stansels Romandebüt The Last Cowboys of San Geronimo liegt Frank Van Loy tot im Dreck. Der Schuss ging direkt ins Herz. Den Abzug drückte der eigene Bruder, Silas. Es ist eine als moderner Western erzählte Kain und Abel-Geschichte, nur bringt der jüngere den älteren Bruder um.
Jill Eisenstadt – Swell [Kritik]
Diese Welle hatte eine lange Zeit gebraucht, um das Ufer zu erreichen: Nach 26 Jahren veröffentlicht die amerikanische Autorin Jill Eisenstadt ihren dritten Roman Swell. Der liest sich so schwungvoll, dass man den Eindruck bekommt, mit dem Schreiben verhält es sich wie mit dem Fahrradfahren: Wer es einmal kann, verlernt es nicht.
Poesie beim Palais Sommer
Der Palais Sommer auf den Grünanlagen des Japanischen Palais gehört sicherlich zu den jährlichen Highlights im August. Neben Yoga und Maleriei können Besucher des kostenlosen Festivals Konzerten, Hörpielabenden, Diskussionsrunden oder wie am Dienstag Poesie beiwohnen. Unterhaltungs- vereint mit Hochkultur in zwangloser Atmosphäre unter freiem Himmel – ein ziemlich einzigartiges Angebot, das dieses Jahr bisher leider oft ins Wasser fiel.
Einkaufslisten, wütende Textnachrichten und Romane: Ein Interview mit Jill Eisenstadt
© Beowulf Sheehan Jill Eisenstadt hat mit Swell einen der bezauberndsten Romane des Sommers veröffentlicht. Es ist ihr erster Roman seit 26 Jahren. Ende der 80er Jahre kam sie zusammen mit einer Reihe anderer junger Schriftsteller wie Bret Easton Ellis, Jay McInerney, Donna Tartt und Tama Janowitz (dem sogenannten Brat Pack) zu Ruhm. Anfang der 90er wurde es dann still um die heute 54-jährige New Yorkerin. Was sie so lange aufgehalten hat, erzählt sie im Schmiertiger-Interview.
Maus [Prosa]
Der Satz, dass sich ein Mensch zellulär alle sieben Jahre erneuert, nagt an mir, als ich mein Smartphone in die Hosentasche gleiten lasse und auf die Klingel drücke. Wir kennen uns länger als das.
Bienes langes, meist offenes, einst rotes, jetzt aschblondes Haar ist zu einem Dutt gesteckt. Das ist sogar besser so. Man sieht jetzt ihren Hals, der sonst unter den breit gefächerten, dicken Haaren versteckt ist und unter dem Eindruck des klugen Kopfes und der großen Nase verschwindet.
Amerikanische Alpträume: Carousel Court [Kritik]
Das „Hotel California“ der Eagles bleibt aktuell: man kann zwar einchecken, weg kommt man aber nie. Im aktuellen Roman von Joe McGinniss Jr. wird der kalifornische Traum einer jungen Familie zum Schrecken, an dem sie zu zerbrechen droht. Carousel Court präsentiert ein Amerika, das mit offen liegenden Nerven am Abgrund steht und die Zähne fletscht.