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    Würde lassen – Würde leben: Museum der Einsamkeit von Ralf Rothmann

    Rezension Museum der EinsamkeitZweifel und innerer Frieden, Demütigung und Würde – im Spannungsfeld dieser Gegensatzpaare entfalten sich die neun Erzählungen in Ralf Rothmanns neuem Erzählband Museum der Einsamkeit. „Sometimes I wonder what it’s gonna take to find dignity“, stellt er programmatisch ein Zitat Bob Dylans dem Band voran und zeigt diese Suche in äußerlich kontrolliert und ruhig erzählten, aber innerlich reißenden Geschichten.

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    Der verknorspelte Mann: Heimweh im Paradies von Martin Mittelmeier

    Heimweh im Paradies: Thomas Mann in KalifornienHeimweh im Paradies: Thomas Mann in Kalifornien von Martin Mittelmeier beleuchtet auf süffisante Weise die Exiljahre des Literaturnobelpreisträgers. Aber ist Kalifornien wirklich das Paradies? Und hat Mann wirklich Heimweh nach seiner Heimat, die Krieg gegen die Welt führt? Und kann dieses Buch ein neues Licht auf die Lichtgestalt deutschsprachiger Literatur des 20. Jahrhunderts werfen? Nun, es ist eine Frage des Stils: Die unbefangene, alle Ehrfurcht ablegende Weise, mit der sich Martin Mittelmeier seinem Sujet nähert, macht zumindest großen Spaß.

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    Wenn die Dinge ihren Zauber verlieren: Der Duft des Wals von Paul Ruban

    Der Duft des Wals von Paul Ruban RezensionWenn der Familienurlaub zum letzten Strohhalm wird: Hugo und Judith begeben sich mit Tochter Ava in ein spanischsprachiges Urlaubsparadies, um die schal gewordene Ehe zu retten. Aber der abgestandene Gestank der verhärteten Ehe findet gleich am ersten Urlaubstag seine Entsprechung in einem gestrandeten Wal, der explodiert und das Urlaubsparadies in einen penetranten Gestank taucht. Multiperspektivisch, temporeich, humorvoll und mit satirischen Sprenkeln versehen, ist Der Duft des Wals des Kanadiers Paul Ruban ein vergnüglicher Sommerroman.

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    Wohin mit der Wut? Wenn wir lächeln von Mascha Unterlehberg

    Rezesnion Wenn wir lächeln von Mascha UnterlehbergJara und Anto sind beste Freundinnen, nennen sich aber lieber Schwestern. Und sie sind ziemlich aggro drauf: Mit Baseballschlägern bewaffnet, ziehen die Teenager durch die Stadt. Schaden nehmen aber eher Autos als Menschen. Es ist eine intensive Freundschaft, die, aus Jaras Sicht betrachtet, nicht immer auf Augenhöhe erscheint. Wie gut kennen wir unsere Freunde, wie gut kennen wir uns selbst? Wenn wir lächeln von Mascha Unterlehberg ist ein bemerkenswerter Coming-of-Age-Roman, strukturell originell, inhaltlich aufwühlend.

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    Menschliche Schlamassel: Starke Meinung zu brennenden Themen von Etgar Keret

    Menschliche Schlamassel Starke Meinung zu brennenden Themen von Etgar KeretWer den neuen Kurzgeschichtenband Starke Meinung zu brennenden Themen von Etgar Keret beschreiben will, kann aus dem Vollen schöpfen: absurd, traurig, kurzweilig, rätselhaft, pointiert, verrückt, vernünftig – das sind einige der Adjektive, die passen. Stark am Puls der Zeit vereint Starke Meinung zu brennenden Themen über dreißig Erzählungen von erstaunlicher Originalität mit hoher Qualitätsdichte. An manchen Stellen könnte man meinen, der israelische Autor läutet das Post-Anthropozän ein.

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    Unerträgliche Leichtigkeit: Alles was lebt von Kristina Schilke

    Alles was lebt von Kristina SchilkeKristina Schilkes Episodenroman Alles was lebt bringt uns in den Bayerischen Wald, wo Klara im Haus ihrer verstorbenen Eltern eine unheimliche Entdeckung macht: In einem Zimmer scheinen die Naturgesetze nicht zu gelten. Sobald man ihn betritt, beginnt man zu schweben. In der Folge begegnen wir weiteren Personen, die auf die eine oder andere Weise mit Klara verbunden sind und allesamt mit den Fallstricken des Lebens hadern.

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    I Never Know How Old I Was von David Joseph

    I Never Know How Old I WasSchlicht, alltäglich, flüchtig: Die Geschichten in David Josephs drittem Erzählband I Never Know How Old I Was erkunden zwischenmenschliche Beziehungen über alle Etappen gelebten und gefühlten Alters hinweg, ohne jemals Zeit zu schinden. Schnörkellos und ruhig, geradlinig und selten pointiert erscheinen die Erzählungen auf den ersten Blick unscheinbar, ziehen die Leser jedoch mühelos in ihren Bann.

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    Queer durch die Republik: Rauchzeichen für Rio von Micha Riegel

    Rauchzeichen für Rio von Micha RiegelRauchzeichen für Rio von Micha Riegel ist wie viele Debüts ein klassischer Coming of Age Roman, der uns in die 1990er Jahre entführt. Samu ist 16 und in seinem Heimatdorf im ländlichen Bayern unweit Würzburgs nicht gerade beliebt. Er ist anders, seine Homosexualität gewissermaßen ein offenes Geheimnis. Als ihn Max, der jüngste Spross des Bürgermeisters, unverhofft küsst, gerät die konservative Provinzidylle in Schieflage – und Samu muss um sein Leben fürchten. Er verlässt das Dorf in Richtung Frankfurt, wo es ihn, Schockverliebt in Lenni, aber nicht lange hält.

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    Abseits der Welt: Freundschaft und Vergeltung von Helmut Krausser

    Freundschaft und VergeltungEs ist 1965 und der Erzähler von Helmut Kraussers neuem Roman Freundschaft und Vergeltung blickt fasziniert auf den neuen, einen Jahr älteren Mitschüler am Internat. Anthonys Perspektive auf den barschen, wortgewandten Chris Bradshaw erinnert etwas an Nicks auf Jay Gatsby – eine Figur “larger than life”, umhüllt in einer Aura des Geheimnisvollen. Der junge Mann bringt die Dinge am altehrwürdigen, aber finanziell auch ziemlich knappen Internat Raven Hall gehörig durcheinander – Ereignisse, die den blassen Erzähler ein Leben lang beschäftigen sollen.