Meine Leseliste wird selten kürzer. Für jedes ausgelesene Buch landet ein neues im Briefkasten (oder auch zwei). Einige Anschaffungen aus dem letzten Jahr liegen noch un- bzw. angelesen auf dem Nachttisch und sicherlich warten auch noch ein paar Bücher aus den Jahren davor darauf, endlich aufgeschlagen zu werden (The Orphan Master’s Son von Adam Johnson fällt mir spontan ein). Manchmal hat man einfach mehr Neugier als verfügbare Zeit. Dennoch: Beim Blick in die Verlagsprogramme sind mir drei Ankündigungen ins Auge gestochen, für die ich mir Zeit reserviert habe.
My Year of Rest and Relaxation von Ottessa Moshfegh
Ohne Frage Platz eins auf meiner Leseliste für 2018 ist Ottessa Moshfegh. Die Amerikanerin hat sich mit ihrem hervorragenden Kurzgeschichtenband Homesick for Another World in mein Herz und Hirn geschrieben. Erst Ende des vergangenen Jahres habe ich ihren Roman Eileen verschlungen. In diesem erzählt die titelgebende Erzählerin von ihren letzten Tagen in einer Kleinstadt in New England. Sie muss ihren alkoholkranken, undankbaren Vater pflegen und arbeitet in einem lokalen Jugendgefängnis. Freunde hat sie nicht, bis eine neue Kollegin in ihr Leben tritt und es gehörig aus der Spur wirft. Wie auch bei ihren Kurzgeschichten zeigt Ottessa Moshfegh in der Langform ihr Gespür für glaubwürdige und doch spezielle Charaktere. Sie schafft es, auch düstere oder tendenziell eher deprimierende Lebensumstände mit einem ganz eigenen Humor zu erzählen. Und genau darauf freue ich mich schon bei dem im Juli erscheinenden Roman My Year of Rest and Relaxation. Die Ankündigung klingt verheißungsvoll: “A shocking, hilarious and strangely tender novel about a young woman’s experiment in narcotic hibernation, aided and abetted by one of the worst psychiatrists in the annals of literature.” Bis zum Juli habe ich mit McGlue noch einen weiteren Roman von Moshfegh auf der Leseliste.
The Changeling von Joy Williams
Joy Williams gilt als “writer’s writer”, also als Schriftstellerin, die Schriftsteller gerne lesen. Im deutschsprachigen Raum ist sie weitestgehend unbekannt. Nur wenige ihrer Texte wurden übersetzt. Wirklich ein grobes Versäumnis: Die Amerikanerin ist eine Meisterin der Kurzform. Sie besticht mit einem zuweilen etwas trockenen Humor, einer einfachen Sprache, die sich aber durch einen außerordentlichen Wortschatz auszeichnet sowie einem unaufgeregten Einfallsreichtum, wenn es um die inhaltliche Gestaltung ihrer Texte geht. Als eine große Auswahl ihrer besten Erzählungen in The Visiting Privilege: New and Collected Stories erschienen, bezeichnete Bret Easton Ellis dies als “The literary event of 2015”. Neben nunmehr fünf Erzählbänden sind von Joy Williams seit 1973 noch vier Romane erschienen. Die meisten ihrer Bücher sind inzwischen vergriffen und werden gebraucht für mehrere hundert Euro gehandelt. Diese Preise haben auch mich davor zurückgeschreckt, meine seit 2015 begonnene Joy Williams Sammlung zu komplettieren. Ihr zweiter, 1978 erschienener Roman The Gangeling wird nun zum vierzigjährigen Jubiläum neu als Harcover bei Tin House Books verlegt. Geplantes Erscheinungsdatum ist der April.
Alle meine Freunde haben wen umgebracht von Curtis Dawkins
Curtis Dawkins ist ein ganz besonderer Debütant, denn er startet seiner Karriere vom Inneren eines Gefängnisses. 2004 erschoss Dawkins im Crack-Rausch einen Mann und wurde in der Folge zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Geschrieben hat er wohl schon vor dem begangenen Mord. Jetzt erscheint bei Suhrkamp die Übersetzung seines bei Scribner erschienen Debüts The Graybar Hotel unter dem Titel Alle meine Freunde haben wen umgebracht. Ob der Entstehungsgeschichte wird es dem Buch sicher nicht an Aufmerksamkeit mangeln. Abgesehen davon verspricht die von Suhrkamp veröffentlichte Beschreibung des Titels tatsächlich auch eine spannende Lektüre: “Dieses Buch ist die kraftvolle literarische Anverwandlung eines Schicksals, es erzählt von Männern hinter Gittern und ihren Versuchen, etwas von dem zurückzugewinnen, was unwiderruflich verloren ist. Es spricht von Freiheit, Liebe und Familie aus der Sicht derer, die ihr Recht darauf verwirkt haben. Curtis Dawkins findet dafür eine massive Sprache, einen Sound voller Sehnsucht, Humor und Tragik.”