Der Palais Sommer auf den Grünanlagen des Japanischen Palais gehört sicherlich zu den jährlichen Highlights im August. Neben Yoga und Maleriei können Besucher des kostenlosen Festivals Konzerten, Hörpielabenden, Diskussionsrunden oder wie am Dienstag Poesie beiwohnen. Unterhaltungs- vereint mit Hochkultur in zwangloser Atmosphäre unter freiem Himmel – ein ziemlich einzigartiges Angebot, das dieses Jahr bisher leider oft ins Wasser fiel.
Nach dem überaus gut besuchten und stimmungsvollen Auftakt in die aktuelle Spielzeit am 4. August mit der Nürnberger Folk-Band The Green Apple Sea zeigte sich der August wenig sommerlich, sodass einige Veranstaltungen verschoben werden mussten. Zur Palais.Poesie!-Nacht am 15. August ließ Petrus glücklicherweise die Himmelspforte geschlossen. Beste Voraussetzungen also für einen schönen Sommerabend mit vier durchaus namhaften Dichtern, darunter die Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises Nora Gomringer.
Bei der Ankunft um kurz nach halb neun ist die in diesem Jahr weitestgehend fahrradfreie Grünfläche bereits gut besucht. Central Boom and Space haben den Abend bereits mit ihren sphärisch-psychedelischen Klängen eröffnet, als man die Picknickdecke ausrollt und die schwitzenden Radler aus dem Rucksack befreit. Das Duo, das regelmäßig für die musikalische Untermalung beim Palais Sommer sorgt, wird auch die Pausen zwischen den vier Poeten, die je etwa zwanzig Minuten lasen, füllen.
Nach der musikalischen Einstimmung und einer eher holprigen Anmoderation macht Ulrike Almut Sandig den Anfang. Die Verbindung von Poesie und Musik ist bei ihr und ihren „elektrischen Gedichten“ Programm. Das Konzept, vorab aufgenommene Texte mit elektronischer Musik und live gelesenen Zeilen zu kombinieren, war beinah interessanter als die Texte selbst, die beim flüchtigen Hören nur schwer zu durchdringen waren, im Ganzen betrachtet aber ein nicht zu verkennender Wille zur politischen Positionierung innewohnt. Hängengeblieben ist dennoch wenig. Für schwer zu dechiffrierende Sprachbilder ist das lesende Auge besser geeignet als das Ohr. Man hat eine Zeile kaum verstanden, da rauscht schon die nächste durch die Gehörgänge. Als eines der Gedichte doch noch etwas nachhallte – fragt mich nicht nach dem Titel, denn diese sind eindeutig nicht die Stärke der Autorin, die ihren letzten Band unter dem Titel ich bin ein Feld voller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt veröffentlichte – bildete meine Begleitung (Hallo Falk!) diesen schönen Satz: „Wir eitern mit vollem Mund in der Monokultur.“ Vielleicht gar keine schlechte Zusammenfassung der eher freudlosen Lyrik Sandings. Wir leben eben in ernsten Zeiten. Und diese sind in viele der Beiträge gesickert, die an diesem Abend zu hören waren.
Neben dem in Dresden lebenden Syrer Moutaz Zafer, der nach Sandig die Bühne betrat und zwei beeindruckende, längere Gedichte im arabischen Original und in deutscher Übersetzung vortrug, war Nora Gomringer die Sternstunde des Abends. Das Publikum war da leider schon stark ausgedünnt. Doch die verbleibenden Nachtschwärmer wurden Zeuge einer Lesung, die zeigte, dass eine Lyrik-Lesung nicht nur den Geist anregen, sondern auch die Bauchmuskeln bewegen kann. In ihren Gedichten nähert sie sich eher unschönen Modeerscheinungen wie Lotusfüßen oder Krankheiten wie Depressionen und Alsheimer mit Scharfsinn und Wortwitz. Ihr kraftvoller, spannungsgeladener und pointierter Vortragsstil ist der beste Beweis, dass man mit ernsten Themen durchaus unterhalten kann. Wie sonst sollte man auch dem Schrecken des Lebens begegnen, wenn nicht mit einem schallenden Lachen?
Der Palais Sommer endet am 28. August 2017. Vorbeischauen lohnt sich!