In manche Bücher stolpert man eher unverhofft. Dieses fing meinen Blick im Museumsshop des Albertinums. Zwar hat If Cats Disappeared from the World nichts mit bildender Kunst zu tun, aber manch Museumsshop stellt sich heute ja gern etwas breiter auf. Der Titel klang spannend, das kleine Kätzchen auf dem Cover ist ein Blickfang und da ich meiner Erinnerung noch nie etwas von einem japanischen Autoren gelesen habe, griff ich einfach zu – und wurde mit einem kurzweiligen Roman belohnt.
If Cats Disappeared from the World erzählt von einem Mann, der an einem Hirntumor sterben wird und der sich mithilfe des Teufels weitere Lebenstage hinzukaufen kann, indem er Dinge von der Welt verschwinden lässt. Es ist also ein Text über den Menschen und die Dinge, mit denen er sich seine Lebenszeit füllt. Anfangs hat man unweigerlich einen minimalistischen Gedanken im Kopf: Denn wie viele Tage unseres Lebens verlieren wir eigentlich durch die Dinge, mit denen wir uns umgeben (Apps, Filme, etc.)? Und wie würden wir unsere Tage ohne sie verbringen?
for thousands of years, humankind has done nothing but make useless things. So if something were to disappear no one would notice. In fact, the world would be a simpler place (21).
Doch Genki Kawamura hat hier kein Plädoyer für Minimalismus oder Askese geschrieben. Denn streng genommen erzählt sein Protagonist weniger über die Dinge, die er verschwinden lässt, als über sein Leben und die Beziehungen zu anderen Menschen, die er mit diesen Dingen verbindet. Das Ende des Lebens ist eben der Moment, an dem man die gelebte Zeit reflektiert, sofern man Gelegenheit dazu hat.
Es fängt harmlos an: Zuerst lässt der noch junge, bei der Post arbeitende Mann in Absprache mit dem Teufel Schokolade verschwinden. Es folgen Telefone. Daran werden Reflexionen zu den zwischenmenschlichen Beziehungen des Lebens des jungen Mannes geknüpft: Sollte er nochmal seinen Vater anrufen, mit dem er seit dem Tod der Mutter vier Jahre zuvor keinen Kontakt mehr hatte? Stattdessen entscheidet er sich für seine Ex-Freundin, mit der er lange Telefonate zu führen pflegte, die er am erkauften Tag dann auch trifft.
Eingeflochten in diese Tage, die er sich gewissermaßen durch Verzicht (sich sich und den Rest der Welt) erkauft, sind philosophisch angehauchte Digressionen zu den Dingen selbst – der Veränderung, die Smartphones im Miteinander gebracht haben genauso wie Gedanken zu Zeit werden vor dem Leser ausgebreitet (auch Uhren – sein Vater ist übrigens Uhrmacher – lässt er verschwinden). Es sind eher alltagsphilosophische Gedanken mit einem Hauch Existenzialismus. Denn “schwer” zu lesen ist dieses Buch nicht – auch nicht trübsinnig. Tatsächlich ist If Cats Disappeared from the World ein dezent melancholisches, humorvoll erzähltes Buch über einen liebenswerten Millennial-Durchschnittstypen. Katzenfans werden vielleicht etwas zusätzliches Herzklopfen bekommen ob der Frage, wie denn eine Welt ohne Miauen wäre.
Mit If Cats Disappeared from the World ist Genki Kawamura also ein grundsympathisches, kurzweiliges, zahm schnurrendes Buch gelungen, das im Übrigen auch zeigt, wie globalisiert die Lebenswelten von Millennials sind. Der Text erzählt von Dingen auch über popkulturelle Referenzen – ob Smartphone-Chats, Filme oder Musik – so weit weg ist dieser Protagonist irgendwo in Japan gar nicht von einem Amerikaner oder Deutschen in seinem Alter. Auch das ist eine Erkenntnis, zu dieser man über dieses Buch gelangen kann.