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Verliebt in Kopenhagen: Sauna von Mads Ananda Lodahl

Rezension: Sauna von Mads Ananda LodahlJohan hat sein Lehramtsstudium geschmissen und findet einen Job im Adonis – einer Herrensauna in Kopenhagens Hinterhöfen. Während seiner Schicht steht irgendwann William vor ihm, hübsch, jung, unsicher und anders als die anderen Gäste. Man tauscht Nummern aus, trifft sich später, zaghaft: William ist trans, Johan verliebt. Eine Romanze, urban, jung und zwischen den Stühlen – Mads Ananda Lodahls Debütroman Sauna ist unverblümt und zeitgemäß, erzählt vom Anderssein und Zugehörigkeit.

Mads Ananda Lodahls Debütroman Sauna nimmt Lesende mit in ein Milieu und die Nahtstellen westlicher Gesellschaften gleichermaßen. In der Romanze zwischen Johan und William entspinnt sich ein komplexes Geflecht an Fragen über Individualität und Gruppenzugehörigkeit, über das Eingeschlossensein und das Ausgeschlossensein. Es beginnt alles ganz naiv: ein unbeholfener Flirt an der Saunabar, ein etwas steifes erstes Date, das dann aber doch schnell sexuell wird und William Geschlechtsidentität enthüllt – er fühlt sich als junger Mann, ist geboren im Körper einer biologischen Frau. Damit geht er überwiegend offen um – versteckt sich kaum. Gleichsam beschäftigt ihn die Frage der körperlichen Angleichung sehr – er nimmt Hormone und spart für eine Operation, um sich die Brüste entfernen zu lassen.

Johan, der Erzähler der Geschichte, unterstützt ihn, hält die Angleichung aber nicht für nötig. Er nimmt William als Jungen wahr – auch mit Brüsten. Daraus ergibt sich ein gewisser Zwiespalt. Johan ist schwul, hat aber trotz seiner Arbeit in einer Cruising-Sauna nie den rechten Zugang zur Szene gefunden. Besonders der Wunsch der gleichgestellten Ehe ist ihm ein Dorn im Auge – für ihn ein Akt der Unterwerfung in heteronormative Wertvorstellungen. Als wäre die Liebe zwischen Männern nur anerkannt, wenn es von Gesetzes wegen so ist. Dieses Hadern überträgt sich auch auf William , den er zwar liebt, wie er ist, dessen Wunsch nach Geschlechtsangleichung er dennoch nicht nachvollziehen kann – für ihn ein ähnlicher Schritt wie die Ehe: eine Unterwerfung unter binäre Normen und somit verschenktes revolutionäres Potenzial seiner Trans-Identität.

Gleichsam fühlt er sich auch ausgeschlossen. In dieser jungen Beziehung besteht eine Machtasymmetrie: Denn William schließt sich einer Trans-Gruppe an und lässt seinen Partner außen vor. Während Johan auf diese Beziehung festgelegt scheint und praktisch alles für ihn machen würde, scheint es umgekehrt nicht der Fall. Es brodelt also unterschwellig wie in einem Saunaofen, und in Johan verstärkt sich eine unbestimmte Wut, die ihn in große Schwierigkeiten bringen könnte.

Mads Ananda Lodahl lässt seinen Erzähler in der ersten Person Präteritum erzählen. Er wählt also eine eher konventionelle, lineare Erzählform, um diesen dynamischen Prozess der konfliktbehafteten Beziehung darzustellen. Dies gelingt ihm mit einer Sprache, die zwar reflektiert, aber auch unverblümt bis derb ist. In Sauna stecken viele wichtige Themen – angefangen beim revolutionären Potenzial von Sexualität über den Konflikt zwischen Zugehörigkeit und Anderssein, über gesellschaftliche Normen und gesellschaftliche Anerkennung, über Ausgrenzung innerhalb marginalisierter Gruppen. Das ist und liest sich auch interessant.

Diese Ideen sind Mads Ananda Lodahl aber so wichtig, dass er sie manchmal zu oft auserzählt, anstatt sie anhand weniger Szenen zu zeigen. Immer wieder wohnt man seitenlangen Diskussionsrunden bei. Die sind ohne Frage interessant, zerreißen aber in ihrer Ausführlichkeit den narrativen Strom. Sauna könnte also etwas mehr verdichtet sein, noch mehr zeigen als erzählen bzw. erklären, um über die gesamte Strecke wirklich einnehmend zu sein. Die Anlagen sind zweifelsohne da!

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Sauna ist bei Albino erschienen.

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