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Caspar David Friedrich zum 250. im Albertinum und im Kupferstichkabinett

Caspar David Friedrich - wo alles begannCaspar David Friedrich – wo alles begann, steht programmatisch auf dem Begleitflyer zu den beiden Geschwisterausstellungen im Kupferstichkabinett (“Caspar David Friedrich – der Zeichner”) und im Albertinum (Caspar David Friedrich – der Maler”). “Alles” begann für den bekanntesten Maler der Romantik freilich nicht in Dresden, sondern in der schönen Hansestadt Greifswald, wo man noch heute das Haus, in dem er aufwuchs, besichtigen kann. Viele Bilder bekommt man in der Geburtsstadt des Malers allerdings nicht zu sehen, einige wenige im Pommerschen Landesmuseum, aus dem in Dresden keine Leihgaben zu sehen sind. In Dresden, wo er 40 Jahre lebte und den Großteil seines Werkes schuf, sind neben dem Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Leihgaben aus u.a. Hamburg, Berlin, Wien und Schweinfurt zu sehen. Der Andrang ist groß, der Besuch der Ausstellungen gewissermaßen die Antithese zu den Stimmungen, die des Malers Bilder eigentlich evozieren.

Und so ist man als etwas ignoranter Jahreskartenbesitzer etwas verblüfft, dass der Zugang zu der Ausstellung im Albertinum nur über einen vorab gebuchten Timeslot gewährt wird. Selbiges gilt nicht für die Schau im Kupferstichkabinett, deren Besuch als erstes auch sinnvoll ist. Auch hier staunt man nicht schlecht: Wird die vierte Etage des Residenzschlosses von den Besuchern überwiegend links liegen gelassen, sodass man die Ausstellungen hier in der Regel mit nur einer Handvoll anderer sieht, bringt der Name Caspar David Friedrich ein reges Tummeln in die beiden Ausstellungsräume.

Caspar David Friedrich - wo alles begann
Felsentor im Uttewalder Grund, um 1801 (Ausschnitt)

Titel und Ausstellungsort zeigen bereits an, dass hier überwiegend, aber nicht ausschließlich, Studien und Zeichnungen Friedrichs zu sehen sind. Bei seinen zahlreichen Reisen und Wanderungen führte er Skizzenbücher mit, um sie mit mal mehr, mal weniger detaillierten Natur- und Landschaftsstudien zu füllen. Besonders bedeutend waren dabei sicher die ausgedehnten Wanderungen im Elbtal und der Sächsischen Schweiz, während der er Baum- und Feldstudien sammelte, die für verschiedene Ölgemälde teils mehrfach (wieder-)verwendet wurden. Die Skizzenbücher begleiteten den Künstler auch in Museen für Figurenstudien. Handwerkliches Geschick und Präzision waren Friedrich wichtig. So akkurat er seine Naturbeobachtungen auch festhielt, die bloße Wiedergabe des äußerlich Sichtbaren genügte Friedrich bei seinen Gemälden allerdings nicht: Die Gefühlswelt, die Welt hinter dem Sichtbaren, sollte ebenso in Erscheinung treten. Dies führte letztlich zu der im Albertinum zu sehenden Praxis, die verschiedenen Studien zu teils neuen Landschaften zusammenzufügen. Die Ausstellung im Kupferstichkabinett bleibt aber überwiegend bei der naturgetreuen Wiedergabe des äußerlich Sichtbaren in Form zahlreicher Skizzen, Studien und ausgeführter Zeichnungen. Ein paar Gemälde sind aber auch hier zu sehen, darunter „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“, passend zu den verwendeten und ebenfalls zu sehenden Baumstudien sowie eine Serie mit Landschaftsmalereien, die den Plauenschen Grund zeigen.

Bei Caspar David Friedrich erscheinen die Menschen in stiller Betrachtung versunken und vorzugsweise von hinten dargestellt. Sie befinden sich in einer Situation, die mit der Bildbetrachtung selbst vergleichbar ist: Zuschauer schauen Zuschauern beim Zuschauen zu” (SKD: Caspar David Friedrich – der Maler).

Klosterruine Eldena bei Greifswald
Oft gemalt: Die „Klosterruine Eldena bei Greifswald“, um 1824 (Ausschnitt)

Schon einen Tag später geht es mit einem Zeitticket in das Albertinum. Der erste Eindruck ist überwältigend… ob des Gewusels. Die wunderbar von den SKD beschriebene Bildwirkung kann erweitert werden um “Zuschauer schauen Zuschauer schauen Zuschauern beim Zuschauen zu”. Ohne Zweifel, diese Sonderausstellung ist ein Event, wie man es im Albertinum selten gesehen hat, auch nicht bei der erst vor wenigen Jahren durchgeführten Sonderausstellung zu Friedrich und Dahl. Beide Romantiker waren einander verbunden und, das stellt auch diese Ausstellung heraus, Friedrich enorm von den Lichtstimmungen Dahls beeinflusst. Mehrere Ölstudien zu Sonnenuntergängen laden zum Träumen ein, wenn man nicht alsbald vom fiependen Alarm herausgerissen wird, der beinah minütlich von anderen Besuchern ausgelöst wird, die meinen, es sei ok bis zur Nasenspitze an die Gemälde zu kriechen oder sich an die Wand anzulehnen.

Romantik ist eben auch eine unerfüllte Sehnsucht und eine Sehnsucht fernab dieser hüstelnden und alarmauslösenden Mitbesucher schwelt in meiner Brust. Aber bleiben wir bei der Ausstellung: Organisiert ist sie lose nach Stichwörtern wie „Licht“, „Bäume“, „Friedhöfe“ und “Politik”. Während auf der rechten Seite Bilder Friedrichs und einiger Weggefährten / Vorbilder wie Dahl zu sehen sind, ist die komplette linke Wand mit Bildern altmeisterlicher Maler geradezu tapeziert. Die Blicke der Gäste haften vorrangig auf den Werken Friedrichs, vor praktisch jedem Bild steht eine kleine Menschentraube. Zu sehen sind viele Exponate aus dem eigenen Bestand der SKD, die sonst auch in der permanenten Ausstellung zu bewundern sind, sowie Leihgaben anderer Häuser, die berühmteste sicherlich der “Wanderer über dem Nebelmeer”.

Caspar David Friedrich, Wanderer über dem Nebelmeer, um 1818
Caspar David Friedrich, Wanderer über dem Nebelmeer, um 1818 (Ausschnitt)

Die Ausstellung macht in kurzen Texten im Zusammenspiel mit den Exponaten deutlich, welche Bedeutungen die Stichworte für Friedrich haben und wie verschiedene, wiederkehrende Motive zu interpretieren sind, ohne den Besucher zu überfordern. Gleichsam stellt sie, wenn auch in verkürzter Form, des Künstlers Prozess deutlich, wie er im Kupferstichkabinett tiefer ausgearbeitet ist. Die Romantik als Zwischenstufe zwischen klassischer Kunst und der Moderne wird in Friedrichs Werk deutlich: Die Abkehr von der bloßen Wiedergabe der sichtbaren Welt oder Darstellung religiöser Motive hin zu emotionalen Landschaften werden ebenso anschaulich wie die Wiederverwendung und Rekontextualisierung seiner Studien und künstlerischen Vorbilder zu neuen Werken.

Und doch verlässt man die Ausstellung etwas unbefriedigt. Das ist mit dem Besucherandrang zu erklären, aber nicht allein. Beide Ausstellungen erzählen, obwohl sie sich oberflächlich betrachtet durch die Aufteilung in Zeichnungen und Gemälde unterscheiden, dieselbe Geschichte von einem naturverbundenen Maler, der aus seinen naturgetreuen Studien romantische Landschaften schuf. Doch überzeugt die Gegenüberstellung Friedrichs Werke mit jenen aus den Alten Meistern nur bedingt. Es sind Werke, die schon zu Friedrichs Zeiten in Dresden zu betrachten waren, möglicherweise auch in der überbordenden Hängung, wie sie in der Ausstellung zu sehen ist. Doch wirken beide Wände etwas losgelöst voneinander. Vielleicht hätten Friedrich der Zeichner und Friedrich der Maler auch in einer Ausstellung Platz gehabt, um eine umfassendere Schau zu ermöglichen und die Ausstellung im Albertinum etwas zu entzerren. Vielleicht wäre eine Nachzeichnung Friedrichs Entwicklung als Mensch und Künstler – Anlass ist schließlich sein 250. Geburtstag – produktiver gewesen, als die zweifelsfrei ansehnlichen Werke anhand einer Handvoll Stichworte zu sortieren.

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Weitere Informationen zu den Ausstellungen auf den Seiten der SKD.

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