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Wann das mit Jeanne begann von Helmut Krausser

Wann das mit Jeanne begann von Helmut KrausserEine Spritztour durch Frankreich im Mittelalter: Wann das mit Jeanne begann ist die verschachtelte und zumindest für den Leser vergnügliche Erzählung zweiter Weißmagier, die sich in der Geschichte der Jungfrau von Orleans verlieren und dabei dieser zweifelsfrei faszinierenden Figur neue Blickwinkel abgewinnen. Helmut Kraussers Roman ist ein Scharmützel, das seine Karten erst nach und nach ausspielt, fantasievoll und verspielt zugleich, wendungsreich und gut recherchiert.

Wann das mit Jeanne begann ist kein klassischer Historienroman. Zwar ist der Text nah an den historischen Gegebenheiten erzählt, zitiert u.a. aus Gerichtsprotokollen jener Zeit, schafft aber ganz neue Zusammenhänge zwischen einzelnen Figuren und überführt das Ganze in eine übernatürliche Rahmenhandlung. Dem Roman gelingt dabei das Kunststück, ernst und albern zu sein – oftmals im gleichen Atemzug.

Durch diese Reise führt uns das schrullige Paar aus Trudi und Jacek, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts begegnen und eher aus Vernunft als aus leidenschaftlicher Liebe zueinanderfinden und beieinander bleiben. Sie sind beide „Levitierte“ oder Weißmagier und zur Zeit der erzählten Gegenwart – der heutigen Zeit – haben sie schon um die 200 Jahre auf dem Buckel. Jacek ist, eher zum Missfallen von Trudi, enorm von Jeanne D’Arc fasziniert, der er während eines Zeitsprungs begegnet sein zu glaubt. Es ist nicht die einzige Jeanne, die in dieser Erzählung von großer Bedeutung sein wird: Auch Jeanne de Belleville, ihres Zeichens Adlige und Piratin, spielt eine Rolle, ebenso wie die geheimnisvolle Schwarzmagierin Zia, die das Paar immer wieder als Heimsuchung begegnet.

Es ist ein aus historischen Fakten zusammen gewürfeltes Verwirrspiel, das die Geschichten der tragischen und gleichzeitig starken Jeannes im zumeist höhnischen Tonfall Trudis präsentiert und mit der absolut fiktiven, ebenfalls durch die Zeit springenden Geschichte der zwei Protagonisten verwirbelt. Als Leser weiß man lange Zeit nicht, worauf Krausser hier hinaus will, in welcher Beziehung die historischen Personen untereinander sowie zu den fiktiven Figuren stehen. Teilweise verwirrt, aber stets vergnügt und fasziniert, gleitet das Auge über diese Zeilen – ein Rausch durch die Geschichte ab dem Ende des 13. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.

Nur, was soll das alles bedeuten? Lotet Krausser das Heilige mit dem Profanen aus? Erzählt er uns von Zweckgemeinschaften? Geht es um Menschlichkeit, den Wert des Lebens? Oder ist das alles nur ein großer Spaß? Vielleicht allesdavon: Feststeht, dass Helmut Krausser mit Wann das mit Jeanne begann nach Trennungen, Verbrennungen den zweiten Volltreffer in Folge landet.

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Wann das mit Jeanne begann ist beim Berlin Verlag erschienen.

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