In Dennis Coopers Werk ist eine Sehnsucht nach dem Unergründlichen eingeschrieben, die teils drastische Ausdrucksformen findet. Berühmt-berüchtigt wurde der Kult-Autor mit seinem George Miles Zyklus, einer fünfteiligen Romanfolge, deren Muse sein Jugendfreund und große Liebe George Miles war. I Wished, Coopers zehnter Roman, kehrt zurück zu dieser tragischen Beziehung voll offener Fragen. Es ist sein offen persönlichstes Buch, in dem er nicht zum ersten Mal das ausdehnt, was wir unter “Roman” verstehen.
I started writing books about and for my friend George Miles because whenever I would speak about him honestly like I am doing now I felt a complicated agony beneath my words that talking openly can’t handle (3).
Der Anfang von I Wished liest sich wie der Einstieg in ein Memoire. Aber wie bei Dennis Cooper üblich, so geradlinig (oder formal anspruchslos) ist dieser Roman nicht. Es steht bereits im ersten Satz: Konventionelle Ausdrucksformen vermögen diese komplizierte Beziehung für Cooper nicht zu greifen. Und so ist I Wished zwar zweifelsfrei autobiografisch verwurzelt, – viele hier geschilderte Gegebenheiten sind so passiert – aber auch ein erzählerisches Experiment. I Wished ist Autofiktion, Essay, Fabel, es ist fragmentarisch und frei.
Cooper lernte George Miles kennen, als dieser einen schlechten LSD Trip hatte. Ein paar Jahre älter und unter seinen Freunden als Kümmerer bekannt, der selbst Erfahrung mit LSD hatte, wurde er von Georges älterem Bruder gefragt, ihn durch den Trip zu bringen. Eine Bindung entstand, die kompliziert war. Wenig später wurde George Miles als bipolar diagnostiziert, mit heftigen Ausschlägen. Der Altersunterschied zwischen beiden machte es auch nicht einfacher.
Irgendwann später verlässt Dennis Cooper Kalifornien, der Kontakt zwischen beiden brüchig, und zieht nach Europa. Er schreibt Briefe, die unbeantwortet bleiben. Er beginnt die Arbeit an seinem George Miles Zyklus. Irgendwann erfährt er, dass sich George Miles umgebracht hatte, noch bevor der erste Roman des Zyklus, Closer, erschien. Cooper schreibt weiter an seinem Monument für diesen wichtigen Freund, von dem er nicht einmal weiß, ob dieser ihn je liebte. Was würde George Miles vom George Miles Zyklus halten?
I Wished ist ein kompliziertes Werk, das das fiktionale Schreiben, das Verhältnis zwischen Künstler und Kunstwerk, zwischen Kunstwerk und Inspiration und zur transformativen Kraft von Kunst befragt. Das sind viele Fragen für einen Text, der nur 127 Seiten füllt. Aber Minimalismus war immer Coopers Sache und I Wished ist so frei von schmückenden Beiwerk wie jedes andere seiner Werke. Die einzelnen Kapitel wirken losgelöst voneinander, I Wished ist ein bisschen wie eine Collage aus originalem Material, die additiv wirkt. Und aller Autofiktion zum Trotz ist es ein Werk bemerkenswerter Imaginationskraft.
Ein Schlüsselkapitel zum Verständnis dieses Textes ist „The Crater“, das sich wie eine essayistische Fabel liest und streng genommen eine Allegorie ist für das, was Cooper aus George Miles machte. Es geht um den Roden Krater, der im Westen der USA durch eine Eruption vor 400.000 Jahren entstand. Der Künstler James Turrell baut seit inzwischen Jahrzehnten diesen Krater aus:
James Turrell, who was famous for creating and revising structures that arrested and apprehended light for our perception, spotted it and thought, I love and disrespect this old thing so much that I’ll devote my life to molding it into my greatest artwork (62).
Es ist ein zweifelsfrei faszinierendes Werk, das man als normalsterblicher Europäer wohl nie besichtigen wird. Doch Cooper geht es hier natürlich nicht um eine Diskussion um den Wert dieses Mega-Kunstprojektes: Dieser Krater, geschaffen durch die die Natur, existierte als Teil dieser über 400.000 Jahre, bis ein Mensch kam und sie dieser entriss, um sie seiner eigenen Vision nach zu interpretieren und umzuformen. Cooper lässt den Krater hier mit einem Präriehund sprechen, lässt George Miles die Räume des Kraters bewandern und sich mit dem Künstler unterhalten: “Are you the artwork, or are you just the crater where it’s situated?” (74). Liebt der Künstler das Objekt für sich oder das, was es für seine Vorstellungskraft tut? Ohne Zweifel: Das Objekt wird verändert, sobald es künstlerisch bearbeitet wird. Für Dennis Cooper ist George Miles der Rodent Krater. In einem späteren Kapitel, ebenfalls mit “The Crater” überschrieben, rekonstruiert Cooper den Selbstmord seines Freundes via Schusswaffe, von dem er selbst nur aus Erzählungen erfahren hat. Gewissermaßen ist I Wished aus diesem Krater erwachsen und das Bild, das Leser aus diesem und anderen Texten Coopers von George Miles bekommen, ist nie George Miles in seinem natürlichen Sein, sondern das, was dessen Existenz mit Coopers Vorstellungskraft machte.
Wie alle Texte Dennis Coopers, bietet sich I Wished für philosophische Fragen dieser Art an. Dennoch bleibt es sein persönlichster Text, der Autor spielt hier mit offenen Karten: I Wished ist eine Liebeserklärung an seine Muse und ein Wunsch, dass jemand diese Zeilen lesen möge, der George Miles kannte:
I want to know that all my love for him is worth it or find someone who’ll convince me he was no one much, or who’ll say, “He never mentioned you,” or that he referenced me offhandedly enough that it’s clear I didn’t mean that much to him, and that’s the hope, and that’s the fear… (6).
Vor allem ist I Wished aber auch ein Text, der zeigt, dass “der Roman” als Form noch längst nicht am Ende seiner Entwicklung ist.
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I Wished erschien bei Soho und wird kommendes Jahr bei Luftschacht auf Deutsch erscheinen.
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