Dresdens schönster Freiluft Salon hat seit vergangenen Freitag endlich wieder offen. Der Palais Sommer ist die schöngeistige Sommerunterhaltung, in die man nach einem verbrutzelten Tag am See gleiten kann. Und in diesem Jahr hat Petrus die Wiese hinter dem Japanischen Palais am Freitag nochmal ordentlich gewässert – so saftig grün war sie letztes Jahr ja nicht – nur um dem Eröffnungskonzert am Freitag einen angenehm lauen Sommerabend zu schenken.
Abgesehen davon, dass die Grünanlage in diesem Jahr wirklich grün ist, man sogar zwischen den ganzen Picknick-Decken versprenkelt ein paar weiße Blüten hervorblitzen sieht, hat das schon im letzten Jahr sehr umfangreiche Programm des Palais Sommers weiter an Volumen gewonnen. Vom morgendlichen Yoga um 8 Uhr morgens bis Mitternacht kann man inzwischen ganze Tage hier wunderbar verbummeln. Neu ist in erster Linie das Kinoprogramm, das man einigen musikalischen Abenden angehangen hat. An den beiden Tagen, die ich bisher besuchte – Freitag und Sonntag – hatten die Projektoren aber Pause.
Zum Auftakt stand die Klassiknacht auf dem Programm. Geladen waren die Studenten der Orfeo Vocal Arts Academy, die in feine Abendroben gekleidet und von Gesangsdozent Alan Dornak am Klavier begleitet überwiegend Broadway-Nummern sangen (und „Hey Jude“ von den Beatles). Wie so oft zeigte sich der Palais Sommer also als Ort der Neuentdeckungen für mich. Denn Broadway Nummern verirren sich doch eher selten in meine Gehörgänge. Selbiges gilt natürlich für die Interpreten: Es sind in der Regel junge, unverbrauchte Künstler, die sich auf der Bühne präsentieren.
Broadway-Nummern stehen in der Regel nicht für schwere Kost, eher für eingängige Melodien, unterhaltsam vorgetragen. Diese innere Erwartungshaltung erfüllte der erste Klassikabend des Jahres auch mühelos. Das Konzert von Bror Gunnar Jansson am Sonntag bot das Kontrastprogramm zum eher beschwingten Auftakt. Der Schwede bezeichnet sich als Ein-Mann-Band und nahm die Zuhörer in seiner 90-minütigen Show mit in den tiefsten Süden der USA. Es gab deftigen Blues-Rock auf die Ohren. Düster, rau und einnehmend schickte er verzerrte Gitarrenriffs und polternde Drums in die Blaue Stunde. Und Texte wie aus einem Neo Western: “killer shot me up and ditched me in a ditch” (aus “Body in a Bag”) und “I might cut you in the back and leave you bleedin’ on the ground” (aus “He Had A Knife In His Hand, Part II”) heißt es da mit einer Inbrunst, als hätte er das alles selbst erlebt.
Das Ende eines schwülen Tages. Kurz denke ich an Jim Jarmuschs Film Down by Law mit Tom Waits, als fließe das mit Whisky gestreckte Wasser des Mississippi durch die Adern des Schweden. Von ganz hinten konnte ich sein Gesicht nicht sehen, allein die Stimme klingt nach einem vom Leben gebeutelten Mann jenseits der Vierzig. Ein Blick ins Programmheft offenbart, Bror Gunnar Jansson ist ein Jahr jünger als ich. Und das beistehende Foto zeigt einen Mann, der etwas an einen jungen, dunkleren Dolph Lundgren erinnert. Was für ein Leben muss der gehabt haben, fragt man sich. Mehr noch staunt man über das Talent: Er sitzt dort vor ein paar hundert Leuten, spielt Drums und Gitarre zur selben Zeit, keucht, schreit, nölt, pfeift und flüstert sich die Seele aus dem Leib. Wow.
Der Palais Sommer sorgt bis zum 25. August für gute Unterhaltung. Der Eintritt ist wie immer frei – Spenden sind gern natürlich gern gesehen.