Tja, was hat das alles zu bedeuten – What Does That Mean? So eine Pandemie bedeutet zumindest schon einmal viel Heimarbeit. Und das trifft Musiker natürlich ganz besonders – das Geld verdient man schließlich auf der Bühne. Dafür hat die Heimarbeit Früchte getragen und uns das Jahr des Virus in diesem Jahr bereits jede Menge (gute) Musik beschert. Den Leipziger Produzenten Map.ache kann man gern zu den gute-Musik-Lieferanten rechnen. Sein drittes Album – eine Doppel-LP bei Giegling – ist ein suchendes Hören abseits der Tanzfläche geworden und passt perfekt in die Zeit.
Häuslich ist sodann auch der Einstieg in What Does That Mean. Schwummrige Pads gleiten aus den Boxen wie ein Verschlafener aus dem Bett. Klickende Geräusche als würde jemand Frühstück machen mischen sich mit unverständlichem Kindergebrabbel. Der Bass schleift behäbig. Ein Blick auf die Tracklist zeigt, die Assoziationen sind gewollt: “Slow Break Fast” heißt das erste Stück, es empfängt den Hörer warm und freundlich. Dieser Eindruck bestätigt sich auf dem folgenden “Ukiu”: Wir befinden uns noch in der Küche. Percussions aus Töpfen und allgemeinem Geklimper, gezupfte Saiten und gelegentlich brummende Tiefen erzeugen eine helle und doch verspult-verspielte Atmosphäre, die zum Ende hin getrübt wird von den Geräuschen, die jemand macht, der eine Nachricht schreibt und sein Smartphone nicht auf lautlos stellt.
Etwas mehr Tritt und Rhythmus kommt mit dem dritten und insgesamt auch am ehesten in Richtung House gehenden “Ealth”: Staubige Gitarrenlicks treffen auf nun prominenter platzierte Drums, zerschnittene Vocal Samples sorgen für freudige Aufregung. Selbst ein etwas verstimmtes Piano gibt seinen Senf dazu.
Die A-Seite ordnet sich irgendwo zwischen Ambient, Downtempo und House ein, wird aus einer Reihe Samples und vielen Feldaufnahmen zusammengewoben. Daraus entsteht ein erdiger Sound mit Tiefenwirkung, den man so auch schon vom Vorgänger Vom Ende bis zum Anfang kennt. Doch während dieses Album viele tanzbare Momente hatte, biegt Map.ache auf seinem dritten Album in experimentelle Klänge ab. Einige Tracks wirken noch etwas roh, nicht völlig ausproduziert. Atmosphäre und Textur stehen im Vordergrund.
Die B-Seite wird rhythmischer, aber nicht wirklich tanzbarer. Hibbelig flirren Marimbas und Flöten und unverständliche Stimmfetzen durch “Channel No 6”. “Snowisallaround” ist dafür blubbernd dubbig. Die helle, freundliche Atmosphäre des Anfangs verliert sich zunehmend, bis man auf der eher sperrigen C-Seite ankommt. Die zweite Hälfte des Albums nimmt zwar die Klangpalette der ersten mit, aber die Rhythmik gibt sich Experimenten preis. Bei “Du bist” trifft ein unterschwellig blubbernder Bass auf langgezogene sphärische Pads und schwer zu benennende Soundschnipsel. Wieder wird die menschliche Stimme verzerrt und unverständlich als Geräuschquelle eingesetzt, eine sonore Männerstimme trifft auf etwas, das wie ein Troll klingt. Man fühlt sich fast wie in einem 80er Jahre Low Budget Fantasy-Film. “Albatross” folgt mit seiner herzrasenden Bassdrum und Geräuschen, die die enervierenden Qualitäten eines Dudelsacks haben. Auf der D-Seite biegen die Experimente in geradlinige Bahnen ein, der letzte Song “Portes” erinnert dann sogar an den Meister der Wohlfühl-Elektronika Tycho.
What Does That Mean hat keine Angst vor atonalen Momenten. Das geht nicht unbedingt geschmeidig ins Ohr. Und dennoch: Mein Hörerlebnis ist dem von Vom Ende bis zum Anfang diametral entgegengesetzt. Dieses Album nahm mich mit seinem warmen, emotionalen und doch tanzbaren Momenten sofort ein – und doch verlor sich mein Interesse schnell (rückblickend hätte eine Straffung auf zwei Platten geholfen). What Does That Mean ließ mich nach dem ersten Hören hingegen einen Fehlkauf vermuten. Besonders die C-Seite kann anstrengend sein. Und doch – Map.ache ist hier ein ganz eigener, oft träumerischer Sound gelungen, der etwas Zeit braucht, um sich in die Gehörgänge zu schleichen.
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What Does That Mean ist bei Giegling als Doppel-LP erschienen.
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