Das musikalische Chamäleon Beck verabschiedet sich zwei Jahre nach Colors wieder vom Hochglanz-Pop und widmet sich dem Zukunftssound der späten 70er: Analoge Synthesizer und Drumcomputer bestimmen den Klang von Hyperspace. Das Ganze klingt wie eine Mixtur aus dem Space Funk von The Information, der Prince-Hommage Midnight Vultures und dem nachdenklichen Folk von Morning Phase.
Hyperspace ist ein unaufdringliches, aus einem Guss aus den Boxen fließendes Album geworden. Es beginnt träumerisch mit der kurzen Skizze “Hyperspace”, wabernd und zart gleiten Synthesizer aus den Lautsprechern, Becks mit Autotune belegte Stimme sickert wie wassergeworden in die Instrumentalisierung. Aufgeräumter und mit Beat geht es auf “Uneventful Days” weiter, über den kräftigen Bass werden Synthesizer und klimpernde Hi-Hats gelegt. Wie der Großteil des Albums bewegt sich dieser Song in mittlerem Tempo – es ist ein Album für die Dämmerung – auch auf inhaltlicher Ebene.
Eskapismus und Introspektion dominieren die Texte. Das mag private Gründe haben, erst dieses Jahr ließ sich Beck von seiner Frau scheiden. Die Erzähler der elf Songs befinden sich in Wartestellung. Eine alte Liebe ist ausgeliebt, etwas Neues, dass das Gefühl von Einheit mit der Welt geben mag, noch nicht in Sicht. Man träumt sich an andere Orte: In „Stratosphere“ will der Ich-Erzähler mit Nadel und Löffel ins Nirgendwo flüchten. “I feel so ugly when you see through me”, heißt es geschlagen auf “See Through”. “Love, it goes”, singt er auf “Dark Places” und “Everything has changed, nothing here feels right” auf “Uneventful Days”.
Beim ersten Durchhören droht Hyperspace vor allem in der zweiten Hälfte an einem vorbeizugleiten, so kohärent und unaufdringlich ist der Sound. Die Hits findet man am Anfang des Albums: “Saw Lightning” bricht als einziges aus den im mittleren Tempo angesiedelten Grooves und ist auch der Track, an dem man die Kollaboration mit Pharrell Williams, der an sieben Songs mitwirkte, am besten heraushört. Dennoch bleibt es unverkennbar Beck. “Saw Lightning” hat ein bisschen was von seinem ersten Hit “Loser”: Slide Guitar trifft auf Stakkato-Drums und einen mächtig brummenden Bass, Mundharmonika auf Sprechgesang. Es zeigt sich, wie weit Beck damals seiner Zeit voraus war – die eher kuriose Vermählung von Country und Hip Hop ist heute fest etabliert und dominierte in Form von Lil Nas X‘ „Old Town Road“ siebzehn Wochen die US-Charts.
Mit “Die Waiting” folgt der vielleicht größte Ohrwurm auf dem Fuße. Ein paar angeschlagene Gitarren legen sich hier über einen recht simplen Hip Hop Beat. Die Magie bringt Becks Falsetto im Refrain, der sich schon beim ersten Hören ins Gedächtnis eingräbt. Es ist ein auf den ersten Blick süßes Liebeslied samt „ahhaa”s und “uhuus”s zum Mitsingen. “I don’t care what I have to do / Know that I’m gonna wait on you” ist zweifelsohne eine schöne Liebsbekundung, der gleichzeitig auch etwas erbärmliches innewohnt. Da haben wir es wieder: Romantische Liebe ist unerfüllte Liebe – man wartet auf etwas, das vielleicht nie kommt.
Etwas verspulter im Sound und nüchterner im Inhalt ist “Chemical” mit seinen glitzernden Synthesizern und Becks verschwimmender Stimme. Liebe wird hier auf Chemie reduziert – nicht zu erklären und schnell verpufft. Blubbernd und schwummrig wie die in der ersten Zeile referenzierte Sommernacht perlt “See Through” aus den Boxen. “Stratosphere” ist eine ganz gar luftige Angelegenheit mit übereinandergelegten Harmonien und Akustikgitarren.
Hyperspace ist mit knapp 40 Minuten Spielzeit ein kurzes, aber ungemein stimmiges Album geworden, das trotz seiner Retro-Ästhetik aus analogen Synthesizern heutig klingt: Vaporwave und Trap schwingen hier in den vollen Bässen mit. Die kleinen Details, die man bei zwei Meisterproduzenten wie Beck und Pharrell Williams erwarten darf, geben den Tracks genug Textur, um sie auch nach dem zehnten Durchlauf interessant zu machen. Hyperspace ist ein erwartbar gutes Album, das die großen Experimente seiner Anfangszeit vermissen lässt. Dafür kann man es sehr gut an einem Stück durchhören.