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“Jetzt war er ratlos”: Vierzehn Tage von Holger Brüns

Vierzehn Tage Holger Brüns“Er hatte Urlaub, ganze vierzehn Tage noch. Niemand wartete auf ihn” (9): Holger Brüns Novelle Vierzehn Tage nimmt den Leser mit in den Berliner Sommer und in das Leben eines Mannes, der nicht viel mit sich anzufangen weiß. Mitte Vierzig, schwul, single und die große Frage: Was kommt noch? Klingt schwermütig, ist es aber nicht. Vierzehn Tage ist ein nachdenkliches, melancholisches Buch, aber voller Momente des Lichts.

Wenn man Glück hat, ist das Leben ein Marathon. Durststrecken und Fragen, warum man sich das alles antut, gehören dazu. Im Leben von Holger Brüns Protagonisten hat sich ein gewisser Überdruss eingestellt. Und unter diesem Überdruss liegt ein Wunsch nach Veränderung. Das zeigt sich allein dadurch, dass eines der Urlaubssprojekte, dass er sich selbst verordnet hat, eine Renovierung der Küche ist. Aber aller Anfang ist schwer und eine renovierte Küche wird das Leben nicht ändern. Eine Kurzschlussreaktion: Er schließt die Tür hinter sich, wirft den Schlüssel in den Briefkasten und irrt einen Tag ziellos durch die Stadt. Albern irgendwie. Er sieht es ein und holt sich einen Ersatzschlüssel. Zurück zu null: “Er starrte in das Grau und wartete darauf, dass etwas passierte” (27)

Fehlstarts gehören dazu. Seine innere Unruhe zieht ihn immer wieder raus in die Straßen Berlins. Er begegnet alten und neuen Bekannten. Er erinnert sich an das alte Westberlin, in das er Ende der 1980er kam, Zeiten des Aufbruchs und der Freiheit, für ihn und die Stadt. Vierzehn Tage ist ein Buch über den Wandel, der sich oftmals unbemerkt vollzieht, auf persönlicher wie auch gesellschaftlicher Ebene. Wo sind die Ideale hin, für die man einst auf die Straße ging und lebt man heute das Leben, das man sich früher vorgestellt hat? Plötzlich ist man in der Mitte seines Lebens, aber ist man noch “mitten im Leben”?

Die Zeit verging, ohne dass etwas passierte, ohne dass er etwas tat. Er war seit Jahren nicht  mehr weggefahren. Hatte seit Jahren nichts Neues angefangen. Seit Jahren keine neuen Menschen mehr kennengelernt (97).

Die Farbeimer bleiben unberührt in der Küche stehen. Vierzehn Tage lang begleiten wir diesen Mann durch ein kosmopolitisches Berlin – bunt und lebensfroh, aber längst nicht mehr so wild und frei wie früher. Er trifft Freunde, fährt ein paar Tage aufs Land, vergleicht Lebensentwürfe und sucht nach Momenten des Glücks. Er verliebt sich schließlich in einen jungen Spanier, der ein paar Tage in der Stadt ist. Plötzlich ist der Sommer noch etwas sonniger.

Ruhig und ohne Pathos erzählt Holger Brüns in Vierzehn Tage von verpassten Gelegenheiten und neuen Möglichkeiten, von zwei verschiedenen Generationen schwuler Männer, vom Sommer in Berlin und der Suche nach dem Leben, das man eigentlich führen will. Ein schöner Text.

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Vierzehn Tage ist beim Verbrecher Verlag erschienen.