Seit vielen Jahren konnte man nicht mehr mit einem derart leichten Gefühl durch die Ostrale flanieren: Lange Zeit war schließlich nicht sicher, ob sie auch weiterhin ein verlässliches Zuhause in Dresden haben wird. Doch etwa zur gleichen Zeit wie zur Eröffnung der Ostrale Biennale 025 kam endlich die gute Nachricht: Die Robotron-Kantine ist als Standort für zeitgenössische Kunst gesichert. Das Bangen ist graue Vergangenheit.
Mit etwas Beklommenheit betritt man dennoch die aktuelle Ausgabe: Denn der Rundgang startet nun im Gruselkeller der Robotron-Kantine. In vergangenen Jahren endete er hier – und in der Regel war man dann schon so erschöpft, dass man schnell durch die finsteren Gänge huschte. Hier findet man wie in vergangenen Jahren zeitbasierte Exponate – also beispielsweise Videoinstallationen. Wenn man sie alle sehen will, kann man schon den halben Tag hier fernab des Sonnenlichts verlieren.
Hier ist auch mein Highlight des Rundgangs zu finden, die multimediale Rauminstallation Radiances von Ran Slavin, die den Zusammenbruch zwischen Realität und Virtualität untersucht. Auf verschiedenen Bildschirmen und einer großen Leinwand sind digitale Landschaften, Mangafiguren und Vögel zu sehen sowie ein über Motion Capture eingefangener Avatar, der einen Monolog aus der Perspektive einer KI vorträgt, die ihr Bewusstsein erlangt. Ebenfalls im Raum verteilt sind LED-beleuchtete, kitschige Lotusblumen. Zwischen Ambientrauschen und klopfendem 4/4-Techno-Beat entsteht ein immersives wie auch entfremdendes Erlebnis, in dem man versinken kann. Es ist wie ein dystopischer Rave oder als würde man die Welt des Videospiels Cyberpunk 2077 betreten. Fasziniert schaut man dem Avatar dabei zu, wie er seinen fragmentierten Monolog hält, das Gesicht von Muskelzuckungen oder Glitches (was sind unwillkürliche Muskelzuckungen anderes als Glitches?) behaust, das zwischen existenzieller Verunsicherung und Selbstbewusstsein oszilliert.

Gleich im nächsten Raum findet man die Videoinstallation Atem von Mavi Garcia, die mit einem besonders originellen Konzept glänzt: In einem vergoldeten Schmuckrahmen sehen wir einen Bildschirm, auf dem über acht Stunden hinweg schmelzendes Eis zu sehen ist – ein wunderbarer Rückgriff auf Vanitasbilder und Stillleben. Es folgen einige Videoinstallationen und ein Zeitproblem: Niemand wird sich die Zeit nehmen, acht Stunden lang Eiswürfeln beim Schmelzen zuzusehen. Auch die anderen Videoinstallationen nehmen einige Zeit in Anspruch – man erfasst sie dann eher über die ausgehängten Begleittexte als über ihre tatsächliche Wirkung.
In den oberen Hallen der Robotron-Kantine wird es konkreter. Im Vergleich zu früheren Ausstellungen zeigt die Ostrale Biennale 025 viele figürliche Skulpturen. Der große Blickfang ist dabei sicher His Holiness des tschechischen Künstlers Daniel Paul (Beitragsbild). Der dickliche Mann ist mit religiösen Insignien dekoriert, ebenso mit Geld und einer vergoldeten Virtual-Reality-Brille – eine Reflexion über die Sinnsuche im Materialismus? Augenfällig ist: Die Ostrale Biennale 025 versammelt wie sonst auch Kunstschaffende aus aller Herren Länder. Jene aus der westlichen Welt zeigen oftmals Auseinandersetzungen mit Konsumkultur und Umwelt, während Erinnerung und Identität Fragestellungen in den Exponaten aus autoritär geprägten Herkunftsländern sind. Letztere sind ohne den nötigen Bezugsrahmen aus der ästhetischen Wirkung allein schwer zu erfassen – man ist auf die Begleittexte angewiesen.

Bei den Exponaten mit westlichem Kontext fällt dies leichter. Da wäre Thoralf Knoblochs Malerei, die Alltagsobjekte farbenprächtig ins Zentrum rückt, oder Sarah Gepperts Bildserie Ereignisreiche Jahre für alle, die familiäre Erinnerungsfotos farbenfroh rekontextualisiert. Ebenso einnehmend ist Daniel Pauls Skulptur Point of View, eine Art eingefrorener Coming-of-Age-Geschichte, die eine zweigeteilte Teenagerin zeigt: Der Torso scheint ein Selfie zu schießen, während die untere Hälfte noch in Insignien ihrer vermodernden Kindheit steckt.
Ebenso präsent sind Stücke, die sich mit dem schweren Stand der Natur in der heutigen Zeit beschäftigen. Daniel Pauls Skulptur Superman zeigt einen Indigenen, der sich die Haut abzieht – zum Vorschein kommt ein Businessanzug. In Casey McKees Ölgemälde Social Silence sehen wir sich sonnende Urlauber am Strand, im Hintergrund eine Bohrinsel.
Nicht grau, sondern bunt, multimedial, international: Die Ostrale Biennale 025 zeigt sich in Topform. Eine umfassende Schau, die auch einen zweiten Besuch wert ist.
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Die Ostrale Biennale 025 ist noch bis zum 5. Oktober 2025 in der Robotron Kantine zu sehen.
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