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Sommermärchen: Das Leben fing im Sommer an von Christoph Kramer

Das Leben fing im Sommer an von Christoph Kramer RezensionEin Erfolgsrezept: Ein großer Publikumsverlag veröffentlicht den Debütroman eines Fußballstars. Christoph Kramers autobiografische Erzählung Das Leben fing im Sommer an blickt zurück auf das Jahr des deutschen Sommermärchens, ein nostalgischer Punkt in der jüngeren deutschen Geschichte, in dem im Land alles in Ordnung erschien und die Deutschen ungewöhnlich optimistisch und zufrieden wirkten. Tatsächlich spielen Fußball und die Fußball-WM im eigenen Land in diesem konventionell erzählten, konservativen Coming-of-Age-Roman aber nur eine untergeordnete Rolle. Die Starspieler sind die erste Liebe und die Freundschaft in einem für den Protagonisten prägenden Sommer seines 15. Lebensjahres.

Der 15-jährige Chris ist ein netter, unauffälliger Jugendlicher. Sein Traum, Fußballprofi zu werden, steht auf der Kippe, weil er aus dem Nachwuchskader von Bayer 04 Leverkusen geflogen ist. Die Sommerferien stehen vor der Tür, und obwohl der sportliche Rückschlag dem Jugendlichen im Hinterkopf brennt, drängen sich die Hormone in den Vordergrund: Denn er ist in Debbie verliebt. Aber hat er, der unauffällige, picklige Chris, eine Chance beim schönsten Mädchen der Schule? Im aufregenden Strom der Jugend mitzuschwimmen hat für den Jungen, dessen größter Wunsch es zu sein scheint, dazuzugehören, zunächst Priorität. Mit seinen besten Freunden Johnny und Salvo versucht er, zu den Partys der coolen Kids zu gelangen, um bei der Angebeteten zu landen – auch wenn das ausgelassene Feiern mit Alkohol oder Drogen so gar nicht seins ist.

Natürlich gibt es Enttäuschungen und ein großes Abenteuer, die den inneren Reifeprozess des späteren Fußballweltmeisters beschleunigen.

Christoph Kramers Roman ist ein gefällig erzählter Text voller Nostalgiemomente, in denen sich die damals ebenfalls Jugendlichen sicherlich schnell wiederfinden. Referenzen an Popstars wie J.Lo und längst vergessene soziale Medien wie SchülerVZ sorgen für Atmosphäre. Wie für einen Coming-of-Age-Roman üblich, ist Das Leben fing im Sommer an nach Auszug, Erfahrung in der Fremde und Rückkehr strukturiert. Der Generationenkonflikt, die Abgrenzung zu den Eltern, fällt hier jedoch überwiegend weg. Chris ist kein Rebell, er will lieber dazugehören. Von seiner unsicheren Fußballkarriere abgesehen, ist Akne sein größtes Problem – und bietet damit sicherlich breitere Identifikation unter Jugendlichen, als es vielleicht abseitigere Texte tun. Die größte Stärke dieses Textes könnte also sein, dass er fußballverrückte Jungs zum Lesen bringt. Im Vergleich zu anderen Coming-of-Age-Texten wie Rauchzeichen für Rio erscheint die Fallhöhe gleichwohl ziemlich gering für den Protagonisten, einem gut erzogenen, weißen, heterosexuellen Vorstadtjungen. Die Abgrenzung findet nicht gegenüber der vorherigen Generation statt, sondern eher gegenüber anderen Jugendlichen, die die schiefe Bahn erkunden.

Das macht Das Leben fing im Sommer an zu einem gefällig erzählten, unterhaltsamen, aber auch sehr braven und konservativen Text.

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Das Leben fing im Sommer an von Christoph Kramer ist bei KiWi erschienen.

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