Putziges aus der Welt der Tiere: Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt von Katherine Rundell ist ein Band unheimlich unterhaltsamer Essays, der uns Staunen lässt, zum schmunzeln bringt und melancholisch macht: Voller kurioser Geschichten über den missverständlichen Blick, den der Mensch auf die Welt der Tiere wirft und den Sinn für das verstellt, was an ihnen wahrlich bemerkenswert ist. Bemerkenswert ist auch die Gestaltung des Buches: Wunderschön illustriert und mit Gold sprenkeln eingebunden, verdient es einen Platz in jedem Buchregal.
Mensch-Tier-Beziehungen sind zu gleichen Teilen von Faszination, falschen Zuschreibungen und Verdrängung geprägt. Am kurzen Ende stehen in der Regel die Tiere, die herhalten müssen als Statussymbole, als Medizin oder Sündenböcke. Viele Arten sind kaum erforscht und schon vom Aussterben bedroht. Nicht nur die Exoten, selbst den Igeln geht es zunehmend an den Kragen, weil Heckenlandschaften Siedlungen und Äckern weichen.
Vom Bären bis zum Wombat, von der Spinne bis zum Narwal erzählt Rundell von den erstaunlichen Eigenschaften der Tiere selbst und welchen Reim sich der Mensch daraus machte. Sie schöpft dabei aus historischen wissenschaftlichen Beschreibungen ebenso wie aus der Literatur. Abgesehen davon, dass sie ziemlich jedes Tier schon als Aphrodisiakum herhalten musste, liest man von manch kurioser Fantasterei. So galten Narwale einst als Einhörner der Meeres, denen man magische Fähigkeiten zuschrieb. 10.000 Pfund war ein Narwalstoßzahn zur Zeit Elisabeth I wert. Die reichsten Kirchen zerschnitten sie in Scheiben, legten sie in Weihwasser ein, um Krankheiten zu bekämpfen. Ob dem Narwal hingegen noch zu helfen sein wird, steht auf einem anderen Blatt: Denn die Meeressäuger brauchen das Packeis, um sich vor Räubern wie den Schwertwalen zu schützen. Darüber hinaus wird das Meer durch den zunehmenden Schiffsverkehr auch oben in der Arktis immer lauter – was die Kommunikation dieser und anderer Wale erheblich stört.
Wir lesen von Mauerseglern, die im Flug schlafen, vom Wombats, die in Würfeln kacken und von Krähen, die nachtragend sind: Die Tiere sind für sich schon erstaunlich genug als dass es wundersame Zuschreibungen durch Menschen bräuchte, wie jener, dass Bären einen Klumpen Fleisch gebären, den sie erst durch beständiges Lecken in die Form eines Bären bringen.
Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt ist ein Buch, das uns verzaubern, aber auch als Warnung dienen soll: Es soll unseren Blick für die bezaubernden Geschöpfe schärfen, mit denen uns diesen Planeten teilen und die wir im Begriff zu verlieren sind, ohne sie wirklich verstanden zu haben.
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Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt von Katherine Rundell mit Illustrationen von Talya Baldwin wurde von Tobias Rothenbücher übersetzt und ist bei Diogenes erschienen.
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