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Die Sünden der Väter: Razorblade Tears von S.A. Cosby

Razorblade TearsEmotional, spannend, gewalttätig und am Puls der Zeit: Razorblade Tears (deutsch: Die Rache der Väter) hat alles was ein Thriller braucht und ein noch ein bisschen mehr. S.A. Cosbys Roman bearbeitet aktuelle Diskurse der amerikanischen Gesellschaft (race, gender) in einem beinharten Rache-Thriller um zwei trauernde Väter, der von der ersten bis zur letzten Seite absolut fesselnd ist.

Buddy Lee Jenkins und Ike Randolph sind familiär verbunden aber praktisch zwei Fremde. Sie sind Männer mittleren Alters, die schon einige Jahre davon im Gefängnis verbracht haben. Buddy ist weißer Trailer-Trash, Ike ein Afro-Amerikaner, der nach seiner Inhaftierung für Totschlag ein kleines Geschäft gegründet und den Absprung geschafft hat. Was diese zwei harten Eisen verbindet: Ihre einzigen Söhne waren miteinander verheiratet. Und jetzt sind sie tot – erschossen auf offener Straße.

If I have to punch somebody’s ticket, I’ll do it. If I gotta crawl a hundred miles over broken glass just to get my hands on these motherfuckers, then that’s what I’ll do. I’m prepared to bleed. Are you? (40).

Dass die beiden Männer kein gutes Verhältnis zu ihren Söhnen hatten, dürfte nicht überraschen. Nachdem die Liebe zwischen ihnen die Familien nicht zusammenbrachte, schafft es nun der Tod. Denn die Polizei tappt bei der Aufklärung des Doppelmords im Dunkeln. Buddy und Ike sind währenddessen voller Schuldgefühle, weil sie ihren Söhnen schlechte Väter waren und nun keine Chance zu Aussöhnung mehr haben. Diese versuchen sie nun aber zu finden, indem sie die Klärung des vermeidlichen Hassverbrechens auf eigene Faust klären.

He told me growing up Black and gay in a small town out in the country was like being trapped between a lion and an alligator (149).

Dabei konfrontieren die beiden immer wieder ihre eigenen Einstellungen zu Homosexualität und Queerness sowie Ungerechtigkeiten zwischen schwarz und weiß in Amerika. Zwischen diese Momente der Reflexion mischt Cosby Szenen knallharter Gewalt, an denen sicher auch ein Quentin Tarantino große Freude hätte.

Es ist also ein bisschen Pulp Fiction trifft Gesellschaftskritik. Cosby dreht beide Aspekte manchmal sehr laut. Vor allem bei den stark selbstkritischen und selbstreflexiven Dialogen, die diese zwei Männer auf ihrer blutigen Tour de Force durch Richmond, Virginia führen, hätte es einer weniger auch getan. Andererseits: Diese Männer sind besessen davon, die Schuld, die sie durch ihre schlechter Vaterschaft gefühlt auf sich geladen haben, zu tilgen. Dazu gehören eben innere Läuterung und jede Menge Blut.

Razorblade Tears spart also nicht an Schauwerten. Trotz der packenden Gewaltszenen ist es aber das ungleiche Paar aus Buddy Lee und Ike, das hier am überzeugendsten ist. Sie sind nicht nur leere Sprechblasen, die im Hinblick auf Rassismus und Homophobie zu neuen Einsichten finden, sondern haben Tiefe, die über das Typenhafte, das man bei einem schwarzen Gangbanger und einem Trailer Trash Hillbilly vermuten könnte, hinausgeht. Das Zusammenspiel beider Charaktere, ihre Lebensgeschichten sind das, was diese Geschichte, die ins Herz amerikanischer Bigotterie sticht, erden.

Razorblade Tears ist eine Achterbahnfahrt, die auf der ersten Seite Fahrt aufnimmt und bis zur letzten keine Pause macht.

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