Vor einem neuen Beck-Album weiß man nie so recht, welchen Beck man bekommt: Den postmodern Prankster oder den Singer/Songwriter mit ernster Mine. Das Element der Überraschung wohnt auch dem neuen Album Colors inne: Nach dem etwas verschnarchten, Grammy-prämierten Morning Phase serviert der Los Angelino ein astreines Pop-Album.
Auf Colors ist also zweifelsfrei der Spaß-Beck zu hören. Dass es der inzwischen 47-jährige immer noch schafft, mit Erwartungen zu brechen, ist erfrischend. Dass er aber ein Album mit zehn geradlinigen Pop-Songs veröffentlicht, dürfte für einige Fans ein zu großer Hakenschlag sein. So mischen sich unter die ersten Reaktionen auf Colors durchaus konsternierte Stimmen, denen melodiöse Popsongs zu simpel sind und Lebensfreude nicht ernsthaft genug. Manch Kritiker vermutet gar, dass Beck Kritiker wie Fans mit diesem Album einfach nur trollen will. Vielleicht wollte er ja einfach mal Spaß haben – und den hört man ihm von der ersten bis zur letzten Sekunde von Colors auch an.
Um eines vorweg zu nehmen: Colors ist bestimmt nicht Becks bestes Album. Das eingängiste ist es aber auf jeden Fall. Vom Sound her lässt es sich wahrscheinlich am ehesten mit dem zu unrecht übersehenen Modern Guilt vergleichen, seinem 2008 zusammen mit Danger Mouse aufgenommenen Sixties-Garage-Rock-Album. Auf Colors sind die Ecken nun aber glatt geschliffen: Also keine Spur mehr von den düster-zeitkritischen Texten, die mit dem schwungvollen Sound von Modern Guilt brachen. Heute dominieren einfache, positive Botschaften. Colors ist reiner Popgenuss, der nichts weiter will, als zu unterhalten; es ist ein Album zum tanzen und mitsingen.
Will Beck, der nach seinem ersten Hit “Loser” die Single-Charts größtenteils umschiffte und nie zum Popstar wurde, nun doch noch zum Konsens-Künstler werden? Es drängt sich durchaus die Frage auf, wie Becks Karriere verlaufen wäre, wenn er nach “Loser” ein Album wie Colors aufgenommen hätte. Zwar gilt Odeley, das Album das er tatsächlich veröffentlichte, heute als eines der besten Alben der 90er Jahre, zum Mainstream-Star wurde er damit allerdings nicht – eher zum Alternative-Helden (in dieser Kategorie bekam er schließlich auch einen Grammy für Odeley). Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass beinahe jeder der zehn Songs auf Colors die Charts stürmen könnte.
Ohrwurmqualitäten hat eigentlich jeder der zehn Songs. Ganz besonders trifft das auf die Dance-Pop-Nummer “Up All Night” zu, die von kräftigen Gitarrenakkorden eingeleitet wird und mit Hand Claps und Percussions Lust macht, die Nacht mit dem Lieblingsmenschen durchzutanzen. Der Titeltrack schlägt in eine ähnliche Kerbe. Auch die bereits 2015 veröffentlichte Single “Dreams” geht schnell ins Ohr und dürfte dem einen oder anderen Langzeit-Fan mit seinem “oho”-Retrain etwas sauer aufstoßen. Das gilt sicherlich auch für die oftmals eher einfachen und allgemein gehaltenen Texte, in denen es darum geht, sich von Erwartungen frei zu machen, Enttäuschungen zurückzulassen und den eigenen Happy Place zu finden: “I’m so free now/ And the way that I walk/ Is up to me now”, sing Beck beispielsweise auf “I’m So Free”.
Der Mid-Tempo-Song “No Distractions” bietet mit seinem Off-Beat etwas Abwechslung und erinnert ein bisschen an The Police. Die einzige Ballade auf Colors, “Fix Me”, hätte sich mit seinem Glockenspiel und der zurückhaltend-aufgeräumten Instrumentierung auch gut in Morning Phase eingefügt.
Trotz dieser kleinen Variationen: Was Colors im Ganzen dann doch etwas fehlt, sind ein paar Querschläger, die aus dem insgesamt sehr einheitlichen, Melodie-betonten Gesamtbild des Albums ausbrechen. Lediglich “Wow” sticht so richtig hervor: Beck lässt darin ein infektiöses Pan-Flöten-Loop über einen waschechten Trap-Beat laufen; hin und wieder streut er ein paar witzige Soundschnipsel in den Mix, während er wie schon zu “Loser”-Zeiten den ironischen Weißbrot-Rapper gibt (“elephant in the room goes boom!”).