Kurzes Buch über Tobias von Jakob Nolte ist ein Roman, über den man viele Worte verlieren könnte. Es ist die fiktive Biografie eines ganzen Lebens, erzählt auf 231 Seiten in achtundvierzig Kapiteln, fragmentarisch und detailversessen zugleich. Es ist ein wundersames wie wunderbares Buch, in Inhalt und Form so unberechenbar rätselhaft, so witzig und traurig wie das Leben selbst.
Das Leben kann zum Fürchten sein: Hotel der Schlaflosen von Ralf Rothmann
“Fear is a man’s best friend”: Dieses John Cale Zitat stellt Ralf Rothmann seinem neuen Erzählband Hotel der Schlaflosen als Motto voran. Es sind elf Erzählungen, in denen Angst oft tief in den Protagonisten eingenistet ist. Ein evolutionsbiologischer Überlebensmechanismus als Freund, der uns durch dick und dünn begleitet: Da schwingt die Hoffnung mit, auch das Schlimmste zu überstehen. Tröstend ist das allerdings nicht.
“Gibt es fröhliche Clowns, und wie wäre das?”: Weiter atmen von Zsófia Bán
Man soll ein Buch ja nicht nach seinem Umschlag bewerten. Versuchen wir es trotzdem: Den Erzählband Weiter atmen von Zsófia Bán ziert Attila Szücs Gemälde Mann badet einen Löwen. Es wirkt etwas unscharf, putzig und dunkel zugleich. Verspielt, intim, absurd und unergründlich sind Adjektive, die mir durch den Kopf gegeneinander purzeln – und das ist dann auch eine ziemlich akkurate wenn auch wohl etwas uneindeutige Beschreibung meines Leseerlebnisses.
Es werde Mensch: Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten von Emma Braslavsky
Berlin, nahe Zukunft: Niemand muss mehr allein sein, denn jeder kann jetzt seinen personalisierten Partner haben. Der Robotik sei Dank. Und doch: Noch nie haben so viele Menschen Suizid begangen – sodass die Stadt eigens eine Sonderermittlungseinheit ins Leben gerufen hat, um die mit den Selbstmorden verbundenen Kosten niedrig zu halten. In Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten lässt Emma Braslavsky ausgerechnet einer KI-Sonderermittlerin die Aufgabe zuteil werden, menschlich zu sein.
Jemand eigenes sein: Schöner als überall von Kristin Höller
In Kristin Höllers Debütroman Schöner als überall fremdelt ein junger Erwachsener mit seinen Freunden, seiner gutbürgerlichen Herkunft und vor allem mit sich selbst. Ein betrunkener Schabernack mit seinem besten Freund führt ihn überstürzt aus München einige hundert Kilometer zurück in sein Heimatdorf. Wie in Coming of Age Romanen üblich, führt diese Reise durch große Verunsicherung zu einer Selbstverortung. Ein gelungenes, wunderbar erzähltes Debüt.