Bevor die letzten Tage des Jahres verstreichen, eine kleine Rückbesinnung auf das, was die meisten Runden auf meinem Plattenteller gedreht hat. Es gab vor allem im ersten Halbjahr viel aufregenden Musik, sodass die Auswahl auf drei Platten gar nicht so einfach war…
E.R.P. – Faded Caprice
Veröffentlicht mitten im Sommer bringt Faded Caprice Spätsommer-Vibes in schimmernder Elektronik. Man kann tanzen oder einfach in der Hängematte chillen und die letzten Strahlen der Sommersonne genießen – oder sich im Winter an wärmere Tage erinnern. Die 8 Tracks des Albums kommen wie aus einem Guss aus den Boxen, ohne je auch nur ansatzweise den Wunsch nach Abwechslung zu wecken. „Let’s Amble“ beginnt den Reigen mit einem stetig pulsierenden Bass und gemütlichen, aber tanzbaren 126 BPM. Nach und nach fließen einzelne Elemente hinein und spinnen ein Netz, aus dem man sich nur schwer wieder entwirren kann. Kühle Pads gleiten über warme Sounds, in die sich motivisch eine elegische Synthie-Melodie flicht.
Das folgende „Miami Nice“ bringt ein bisschen mehr Schwung mit seiner federnd hüpfenden Bassline und den glitzernd darum arrangierten Synthies sowie flickernden Hi-Hats. Auch hier werden in das Soundkostüm langgezogene, elegische Synth-Linien eingewoben. Während man beim ersten Track noch den ersten Drink bestellt und etwas mit den Füßen gewippt hat, führt das spielerische „Miami Nice“ geradewegs auf die Tanzfläche eines Afternoon-Raves.
Schwelgend und kristallin klar, reduziert und detailreich: E.R.P. führt auf Faded Caprice gegensätzliche Impulse in ein absolut homogenes Sounddesign zusammen, das unverkennbar und einzigartig klingt.
Nikka Costa – Dirty Disco
Nach einigen Jahrzehnten im Showbiz hat Nikka Costa eine lange Pause von der Musik genommen, um sich um ihr Familienleben zu kümmern. Angesichts der Weltlage, die sich als andauernde, sich überlagernde Krisen beschreiben lässt, hat sie sich für ihr Comeback vorgenommen, ein Tanzalbum zu machen. Durch und durch retro, ohne je altbacken zu klingen, bringt Nikka Costa auch mit über 50 Lenzen das Feuer. Die zehn Songs auf Dirty Disco bringen Funk und Soul der 70er und 80er zusammen, erfinden nichts neu, machen aber auch nichts falsch. Vor allem die A-Seite ist so unverschämt tanzbar und ohrwurmtauglich, dass es praktisch unmöglich ist, still zu sitzen, wenn sich die wunderschön weiße Scheibe auf dem Plattenteller dreht. Der Hit ist ganz klar das Titelstück, das aus dem Sound der gesamten Platte mit seinem 80er Jahre Synthie-Disco-Funk etwas herausfällt und einfach unverschämt groovy ist – in Sound und Text. Auf der B-Seite verliert diese Platte etwas an Fahrt, einige Balladen und Midtempo-Nummern mischen sich unter, ohne aber den Vibe zu stören. Lediglich das letzte Stück Connectivity mit seinen 8 Minuten Spielzeit fasert etwas aus. Ein klassischer Closer, wo man ob der furiosen ersten Hälfte vielleicht noch einmal einen kraftvollen Schlusspunkt mehr gefeiert hätte. Wie dem auch sei: Dirty Disco bietet zehn solide Songs und eine gewohnt unwiderstehliche, inbrünstige und einfach kecke Performance von Nikka. Sie hält was sie verspricht: Dirty Disco bringt dringend benötigte gute Laune.
Skee Mask – ISS010
Der Münchener Skee Mask hat neben seinem ebenfalls exzellenten vierten Album Resort auch den zehnten Eintrag seiner Ilian Skee Series veröffentlicht. Der einst als Wunderkind gefeierte Produzent ist dafür bekannt, in seinen Veröffentlichungen viele Haken zu schlagen. Und so fällt ISS010 aus seinen bisherigen Veröffentlichungen etwas heraus: Denn was er hier bietet, sind sieben überwiegend geradlinige, gen Detroit schielende Techno-Tracks, in deren Basis auch eine gehörige Portion Dub wummert. Oberflächlich betrachtet werden hier rollende Basslines, Halleffekte und Hi-Hats zu einem ziemlich geradlinigen Technosound vermengt, der über die komplette Spielzeit das Tempo hochhält. Doch der Teufel sitzt wie immer im Detail, und Skee Mask ist weniger Teufel als Magier: Immer wieder schafft er es, den geradlinig daherkommenden Tracks neue Details abzuluchsen, Elemente rein- und rauszuschieben, sie mit Effekten zu verbiegen und ihre Position im Mix zu verschieben.
Wer genau hinhört, kann staunen. Man kann aber auch einfach ein Bier aufmachen und eine Runde tanzen.
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