Es ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich der Sommer dem Herbst zuwendet, wenn dem Wein verbundene Ereignisse eine prominentere Rolle in der Freizeitgestaltung einnehmen. Den Anfang macht der Tag des offenen Weingutes an diesem letzten Augustwochenende. Das Ziel war schnell gefunden: Wo sonst hat man in Sachsen eine so hohe Dichte an Weingütern wie im schönen Radebeul?
Dass der Herbst so langsam anklopft, zeigte dann gleich der Blick in einen wolkenverhangenen Himmel. Auf den Anblick von sich golden in Weingläsern brechenden Sonnenscheins musste man also verzichten, egal wie tief man ins Glas schaute. Obwohl der Wetterbericht Temperaturen um die zwanzig Grad verkündete, nahm mein in kurze Hosen und ein langärmliges Hemd gekleideter Körper diese Angabe als dreiste Lüge wahr. Es war frisch in Radebeuls Weinbergen, besonders am Nachmittag, als der Wind auch immer wieder etwas Niesel über die Landschaft schickte. Glücklicherweise fand sich im Auto meiner lieben Eltern, die mich an diesem Tag begleiteten, eine Jeansjacke, womit auch ich nun endlich am 90ies Revival teilhaben konnte. Der Stimmung sollte das nur in den Abendstunden freundlich gesinnte Wetter also keinen Abbruch tun: Freundlich, ausgelassen und ungetrübt vom plötzlichen Temperatursturz tingelten die Radebeuler sowie ortsfremde – Vorsicht: Wortspiel – Weinschmecker von einem Weingut zum nächsten. Vielleicht stimmt es, dass man sich von Geld kein Glück kaufen könne. Was mir bei Veranstaltungen im als allgemein wohlhabenden Radebeul dennoch auffällt: Weingewordene Glückseligkeit ist für einen Taler durchaus zu haben.
Insgesamt, so steht es zumindest in der allerorts ausliegenden Faltkarte zum Tag des offenen Weingutes, öffneten 46 Weingüter und Winzer ihre Türen. Sechs davon haben wir gesehen. Das Erstaunliche: Von der ersten Station, das Weingut Haus Steinbach (Bennostraße 41), bis zur letzten, das Weingut Hoflößnitz (Knohllweg 37), liegt nur ein Kilometer Fußweg. Von einer Verstärkung zur nächsten muss der Weinwanderer in Radebeul Ost also keinesfalls lange darben.
Nun bin ich beileibe kein Sommelier und daher keinesfalls qualifiziert, die Qualität des vergorenen Traubensaftes einzuschätzen. Doch hat das im Zeitalter des Social Web natürlich noch niemanden davon abgehalten, sich zu allem eine Meinung zu bilden und diese als unumstößliche Wahrheit zu verkünden. Also, wo schmeckt’s denn am besten?
Dass eine Stadt, die als jene mit der höchsten Millionärsdichte allgemein bekannt ist, ein tendenziell teures Pflaster sein kann, rief die erste Station, das Weingut Haus Steinbach, in Erinnerung. Der charmant dekorierte, die Zeichen der Zeit liebevoll zeigende Dreiseitenhof wurde mit angenehm zurückhaltender Klaviermusik akustisch untermalt. Im kulinarischen Aufgebot fand man auch Kaffee, Kuchen und deren herzhafte Variation (Flammkuchen). Preislich im oberen Segment angesiedelt (Stichwort teures Pflaster), fragte man hier nach 7 Euro für ein mit 0,2 ml befülltes Glas. Noch ohne Grundlage entschied ich mich für den ersten Flammkuchen des Tages und eine 0,1 ml Probe eines 2017er Rieslings (gut, dezente Fruchtnote, die hinter der Säure etwas anstand).
Ankommend, sich ein paar Neuigkeiten erzählend und die erwähnte Faltkarte ob des weiteren Vorgehens konsultiernd, entschieden wir uns gegen den vergleichsweise weiten Weg bis zum Schloss Wackerbarth und für eine Erkundung des bisher Unbekannten. Wir blieben also in der Nähe und fassten als nächste Station das Weingut DREI HERREN ins Auge, kamen dann aber bei Weinbau Frédéric Fourré an. Das stand auch auf der improvisierten und nur gedanklich existierenden Liste. Die Hausnummer Bennostraße 9¾ ließ erraten, dass es sich hierbei um keine permanente Adresse handelt. Der Weinbauer offerierte seine Köstlichkeiten auf einer liebevoll dekorierten, baumbewachsenen Freifläche an. Er bot auch die Erkenntnis, dass die Weinverkostung doch kein so kostspieliges Vergnügen werden sollte. Ich gönnte mir ein 0,2 ml Glas einer trockenen Scheurebe für absolut gerechtfertigte 5 Euro im Gespann mit einer schmackhaften, wenn auch reichhaltigen, Birnentarte. Dank überdachter Sitzgelegenheiten blieb man von zwischenzeitlich aufkommenden Nieselregen verschont und konnte den meines Geschmackes nach besten Wein des Tages – Scheurebe ist ohnehin zu meiner Lieblingstraube avanciert – ungetrübt genießen. Auch musikalische Untermalung war vor Ort – ebenso wie die Sächsische Weinkönigin und ihren beiden Weinprinzessinnen.
Den Weg zum Weingut DREI HERREN fanden wir dann gleich als nächstes. Hier spielte eine komplette Liveband im vorderen Bereich, der sich nach hinten zur den Weinreben öffnete, wo weitere Sitzgelegenheiten mit Tischen sowie einigen Liegestühlen auf Besucher warteten. Der nächste Flammkuchen des Tages wurde bestellt und da wir praktischerweise zu dritt waren, die für günstige sieben Euro angebotene dreier Weinprobe (á 0,1 ml). Darunter befand sich zur Abwechslung ein seidiger, etwas karamelliger Spätburgunder sowie zwei Weißweine. Sehr gut. Das ebenfalls ansprechende kulinarische Angebot sollte uns am Ende des Tages zum Abendbrot zurücklocken.
Es folgten das Weingut Karl Friedrich Aust mit einem schönen, leichten 2017er Bacchus und dem vielleicht schönsten Gelände bei auflockerndem Himmel sowie das Weingut Ulf Große nebenan. Hier ging es dank einer Rock’n’Roll Band zünftiger zu. Der verköstigte Rosé war leider etwas nichtssagend. Bevor wir wieder zu einer letzten Einkehr zu den DREI HERREN zurückschlenderten, statteten wir dem Weingut Lößnitz einen Besuch ab. Auf eine Probe verzichteten wir, winkten dafür von der Terrasse, genossen den schönen Ausblick und träumten ein bisschen: Ein eigener Weinberg, wäre das nicht schön?