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Froh zu sein bedarf es wenig: Music for XXX von Dwig

Music for XXX von DwigDer Produzent Dwig eröffnet sein neues Album Music for XXX mit einem als Kanon gesungenen Volkslied: “Froh zu sein bedarf es wenig / und wer froh ist / ist ein König.” Königliche Glücksmomente, mit wenigen Mitteln angerührt in der Produzentenküche: Irgendwo zwischen Downtempo, Deep House und Ambient perlen die neun Stücke des Albums aus den Boxen. Dass Dwig das Glück dieser Welt weniger in materiellen Dingen als in den Armen einer geliebten Person verortet, zeigen nicht nur die geschmeidigen Töne, die er kredenzt, auch der Albumtitel sowie die Bildsprache des Vinyl-Doppelalbums deuten es an: So zieren die einzelnen Platten eine venezianische Gondel, Blüten und Bienen.

Music for XXX ist unaufdringliche Musik, wie geschaffen als akustischer Hintergrund für den entspannten Sonntagsbrunch oder eine nachmittagliche Träumerei. Es ist im besten Sinne Raummusik, Klänge die eine schöne Atmosphäre schaffen, wenn sie im Hintergrund spielen und geistige Räume öffnen, wenn man genauer hinhört. Musik als Evokation: besonders der Gebrauch von Vocal Samples regt hier den Geist. Am besten gelingt dies in meinem persönlichen Liebeslingsstück “Just in My Mind”, das mit schwummrigen Keys beginnt und mit einem Hip Hop Beat unterlegt ist. Irgendwann gesellen sich ein paar P-Funk getränkte Gitarrenlicks hinzu. Eine entspannt groovende Träumerei von einem Song, die vor allem durch die perfekte Verwendung des Vocal Samples ihre evokative Kraft erhält: Eine Frauenstimme haucht mehr als sie singt “You were sweeter than…”. Dadurch, dass Dwig das Sample vor der eigentlichen Aussage – süßer als was – abbricht, regt er die Fantasie an. Hören wir einem Liebesgeständnis zu, bei dem sich die Gestehende im entscheidenden Moment auf die Zunge beißt? Liebe und Melancholie wohnen hier dicht beieinander – eine zum Ende hin etwas erschöpft klingende Trompete deutet wie die im Präteritum stehende Textzeile auf etwas Vergangenes hin.

Das Gros der Songs ist im Up-Tempo-Bereich angesiedelt. “Disappeared” kommt mit einer angenehm runden Bassdrum um die Ecke, um die Dwig helle Klaviernoten drapiert. Hier wie über das gesamte Album setzt er auf Vocal Samples, die zuweilen schwierig zu entziffern sind, wie Andeutungen, die sich der Hörer selbst zusammensetzen muss. Der Titeltrack ist mit einem gedämpften House-Beat unterlegt, über den ein warmes Knistern, Glöckchen und schwummernden Flächen gelegt werden. Zwischen warm und hibbelig lässt Dwig den Song über ein immer wieder eingeschobenes Kirchchorsample ins Erhabene gleiten. Das folgende “Instant Life” betont mehr seinen auf einem satten Bass fußenden Beat. Hier darf getanzt werden, Effekte regnen wie Konfetti auf eine sommerliche Party.

Wieder und wieder wird in Music for XXX auf ähnliche Klangelemente zurückgegriffen. Fast alle Songs sind in warme, schwummrige Keys getaucht. Helle Klaviernoten umschmeicheln melodiös die Ohren, was manchem Song wie “Keep Us” einen dezenten Jazz-Anstrich verleiht. Auch dieser Track wird von einem stark bearbeiteten Vocal Sample durchzogen, einzelne Wörter sind schwer auszumachen, bis auf das Wort “smile”. Doch das Lächeln klingt mehr nach einer Aufforderung, ähnlich wie der Titel selbst. Erzählt Music for XXX von einer Beziehung, die nur noch in der Erinnerung lebt? Zwischen diesem Track und dem schließenden “Birth of a Prophet” dann ein Flüstern aus den Boxen: “I just try to be nothing to become it all.” Es folgt Ernüchterung. “Birth of a Prophet” verlässt die hellen Klangfarben der vorhergehenden Songs. Ohne Beat, dafür mit dröhnenden Geräuschen schließt Music for XXX etwas verloren, beinah klaustrophobisch. Auch die schönsten Momente gehen zu Ende.

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Music for XXX ist als Vinyl bei dem Sublabel Dwig erschienen und bei ausgewählten Plattenshops erhältlich. Zur Soundcloud-Seite von Dwig.